1855 -
Dresden
: Meinhold
- Autor: Gräße, Johann Georg Theodor
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
- Inhalt: Zeit: Mittelalter, Neuzeit
163
Thronbesteigung erfolgten Tod (7. November 1827) in glücklicher
Häuslichkeit lebte. Aus ihrer Ehe waren vier Kinder hervorgegangen,
allein bald wieder gestorben. Der Tod seines Bruders rief ihn aus
seiner stillen Zurückgezogenheit plötzlich wider sein Erwarten auf den
Thron. Dem sächsischen Volk, welches ihn eigentlich kaum kannte, war
von der damals schon im Geheimen wirkenden Umsturzparthei eingeredet
worden, er neige sich zur Unduldsamkeit hin, und da König Anton bei
seinem Regierungsantritt erklärte, er wolle Alles beim Alten lassen
und im Geiste seines Bruders regieren, so glaubte man, er sei allen
Reformen, die man wünschte, abgeneigt und betrachtete ihn anfangs
etwas mißtrauisch. Sehr bald aber, als man erkannte, ein wie gefühl-
volles, wohlwollendes, leutseliges Herz er hatte, gewann er bald alle
Gemüther für sich. Gleichwohl fehlte es auch da nicht an Unzu-
friedenen, die trotzdem, daß Sachsen jetzt ans einem hohen Gipfel des
Wohlstandes stand, den es bisher noch nicht erlebt halte, trotzdem, daß die
Abgaben sehr gering und die Staatsschulden so gut wie gar nicht zu
rechnen waren, heimlich im Volke wühlten, und besonders des Grafen
Einsiedel Staatsverwaltung gehässig ansahen. Dazu kam die echt deutsche
Nachäffung französischer Zustande: wenn man an der Seine Ursache
hatte, gegen die Regierungsmaßregeln Karl's X. auf der Hut zu
sein, bildete man sich in Sachsen ein, es müßten an der Pleiße und
Elbe auch liberale Gesinnungen herrschen, und so nahm man die an-
gebliche Begünstigung des Katholicismus von Seiten der Staatsre-
gierung zum Vorwände, um Unfrieden im Volke zu säen. Unter-
dessen hatte ein Geistlicher, Namens K. E. Richter, (aus Zwickau 1795)
eine Zeitschrift, „die Biene", gegründet, welche sich häufig in politischen
Phantasien erging, aber, weil sie scheinbar im Volkston geschrieben
war, vom Bürger und Bauer stark gelesen ward. Dadurch wurden
aber hohle und unreife Ansichten über Volk und Staat verbreitet und
noch vor dem Landtage (vom 6. Januar 1830) waren einzelne
Stimmen der Presse für eine für Sachsen nothwendig gewordene Con-
stitution laut geworden. Jetzt kamen die Julitage von 1830, welche
der kurzen Regierung der Bourbons ein Ziel setzten, und jene ewigen
Unruhstifter, welche bereits bei Gelegenheit der Jubelfeier der Augs-
burgffchen Confession (25. Juni 1830) versucht hatten, wie weit man
ungefähr der Regierung Trotz bieten könne, erregten jene widrigen
Tumulte, welche die Ruh^ Leipzigs (2.-4. September) und Dresdens
(9. September) störten und bei etwas kräftigerem Auftreten von Seiten
der Oberbehörden wohl hätten im Keim unterdrückt werden können.