1861 -
Eisleben Leipzig
: Klöppel G. E. Schulze
- Autor: Nitzelnadel, Friedrich August
- Hrsg.: Christlicher Verein im Nördlichen Deutschland
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Reformiert
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Als um 11 Uhr Remusat in den Tuilerien erschien und die
schlimme Lage der Dinge, den wachsenden Abfall der Trup-
pen und der Nationalgarde ausführlich auseinander setzte,
war Ludwig Philipp wie versteinert und konnte nur durch
eine kräftige Zusprache der Königin bewogen werden, zu
Pferde zu steigen und mit seinen beiden Söhnen, den Her-
zogen von Nemours und Montpensier, Heerschau zu
halten über die auf dem Karrousclplatze in Schlachtord-
nung ausgestellten Truppen, die ihn mit dem Rufe: „Es
lebe der König!" begrüßten, während zwei Bataillone Na-
tionalgarde: „Es lebe die Nation!" riefen. Nach der
Heerschau zog sich der König in sein Arbeitszimmer zurück.
Plötzlich, es war nach 1 Uhr, trat Emil von
Girard in, der Herausgeber der Zeitung „die Presse",
mit der Schreckensnachricht in die Tuilerien, daß die Pro-
klamation des Ministeriums Thiers-Barrot allenthalben
vom Volke herabgerisscn werde und daß bewaffnete Schaa-
ren, mit Studenten und Nationalgardistcn vermischt, gegen
die Tuilerien im Anzuge seien. In demselben Augenblicke
knitterten die Schloßfenster von den Flintenschüssen, die vom
Palais-Royal hcrknalltcn. Man rieth dem bestürzten Kö-
nige abzudanken, um die Monarchie zu retten. Endlich er-
klärte sich der König dazu bereit, ergriff die Feder und schrieb
zögernd und niedergeschlagen eine Abdankung zu Gunsten
seines Enkels, des Grafen von Paris, unter der Regent-
schaft der Herzogin von Orleans, seiner Mutter, und über-
gab das Blatt einem der Deputaten mit der Bitte, es nach
der Kammer zu bringen. Aber auch die Nachricht von die-
sem Zugeständnisse des Königs blieb theils ungestört theils
ohne Wirkung; denn schon war die Entscheidung der Dinge
in die Hände einer Gewalt gekommen, für welche die Re-
publik das Mindeste war, das sie verlangte. Dem König
und der königlichen Familie blieb nur noch übrig, an die
Abreise zu denken — ein furchtbarer Augenblick für ein
Fürstenhaus, das noch vor wenigen Stunden so glänzend
und mächtig dagestandcn. Es war in der That hohe Zeit
und keine Minute mehr zu verlieren, da das Volk schon
die Umgebungen des Schlosses bestürmte und an den kö-
niglichen Reisewagen, als sic nach dem Karrouselplatz cin-
bogen, die beiden vordersten Gespannpferde, von Kugeln
getroffen, todt niederstürzten. Während der König die Uni-
form, das große Band der Ehrenlegion, die Insignien dcs
Königthums mit schwarzem Frack und rundem Hut ver-