1861 -
Eisleben Leipzig
: Klöppel G. E. Schulze
- Autor: Nitzelnadel, Friedrich August
- Hrsg.: Christlicher Verein im Nördlichen Deutschland
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Reformiert
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schof 21 ff re von Paris, der, mit der Palme des Friedens
in der Hand, auf einer Barrikade zum Tode getroffen wurde.
Die Erbitterung war so arg, daß selbst Weiber siedendes
Wasser und Oel aus den Fenstern aus die unglücklichen
Soldaten herabgossen und wie Furien die Barrikaden mit
vertheidigten. Was in frühcrn Religions- und Bürger-
kriegen Gräßliches vorgckommcn war, wurde hier noch weit
übertroffen: gefangene Soldaten und Nationalgardisten,
selbst der muthige General Bröa, wurden grauenhaft ver-
stümmelt, gemordet, und raffinirte Bubenstücke kannibalischer
Wildheit begangen, vor welchen die ganze Bevölkerung
noch schaudert. Sogar vergifteter Branntwein wurde ge-
reicht und einem gefangenen Reiter die Füße abgehackt und
er so wieder aufs Pferd gesetzt. Die Aufrührer fochten
mit dem Rufe: „Es lebe die demokratisch-soziale Republik!"
Einer, der mit den Waffen in der Hand ergriffen wurde,
äußerte: „Alle Leute, die Etwas besitzen, sind Spitzbuben;
das ist meine Meinung, und blos dafür habe ich mich ge-
schlagen." Ein Anderer, den man fragte, was er unter
demokratischer und sozialer Republik verstände, gab zur
Antwort: „Die Regierung der Arbeiter." Einige hatten
auf ihre rothen Fahnen geschrieben: „Plünderung und
Gewaltthat!" Andere: „Äls Sieger plündern wir, als
Besiegte brennen wir!" — Welches Schicksal wäre dieser
unglücklichen Hauptstadt aufgespart gewesen, wenn die Em-
pörung hätte die Oberhano gewinnen können! Ueber Pa-
ris war während der viertägigen Schlacht ein düsterer
Schrecken verbreitet: die endlosen Straßen, Quais und
Boulevards waren still und öde; alle Thüren und Fenster
geschlossen; nur das schauerliche Krachen des Gewehr-
feuers, mit Trommelwirbel und Trompetenschall vermischt
und von Kanonendonner überboten, unterbrach die Todten-
stille. Im ganzen Weftquartier herrschte noch am 24. Juni
eine peinliche Ungewißheit über den endlichen Ausgang des
Kampfes. Selbst Cavaignac war noch am Morgen des
25. so wenig über die Entscheidung des in die Länge sich
ziehenden Kampfes sicher, daß er mit dem Präsidenten der
Kammer insgeheim übereinkam, im Fall der Aufstand sie-
gen sollte, den Sitz der Nationalversammlung aus Paris
in eine Provinzialstadt zu verlegen. Rührend war es aber
zu sehen, wie Tausende von wackern Nationalgardisten,
Haus und Hof, Weib und Kind verlassend, unter der An-
führung ihres Maires oder Bürgermeister aus fernen Städ-