1861 -
Eisleben Leipzig
: Klöppel G. E. Schulze
- Autor: Nitzelnadel, Friedrich August
- Hrsg.: Christlicher Verein im Nördlichen Deutschland
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Reformiert
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ausführte. Der Zug dauerte fast drei Stunden, ehe er zu
seinem Ziel, dem Friedrichshain vor dem Landsberger Thore,
gelangen konnte. Als derselbe am Schlosse vorüberzog, er-
schien der König auf dem Balkon, umgeben von einigen
Ministern, und verweilte dort mit entblößtem Haupte, bis
alle Sarge vor ihm vorübergetragen waren. Die Bestat-
tung der Todten des Militärs erfolgte erst am 25. März
in früher Morgenstunde.
5. ^evolutionäre Zustände in Werlin öis zur Wustösung der
preußischen Nationalversammlung.
Der Vereinigte Landtag kam unter stets wachsender,
von einer entzügelten Presse unterhaltener Aufregung im
Lande nur noch einmal zusammen, um ein neues Wahlge-
setz zur Berufung einer preußischen Nationalver-
sammlung zu berathen. In der preußischen Hauptstadt
selbst geriethen aber bald die sich bildenden Parteien an
einander, als am Tage nach dem Begräbniß der s. g.
Märzhelden in der berliner „Zeitungshalle" ein heftiger Ar-
tikel erschien, welcher gegen das zu frühe Ruhepredigen ei-
ferte, und namentlich das Bürgerthum des Mangels an
Begeisterung für die Freiheit anklagte und zwischen Bürgern
und Arbeitern einen feindlichen Gegensatz aufregte. Bewaff-
nete Bürgerwehrmänner und viele andere Personen dran-
gen wüthend auf das Bureau ein, man wollte den Redak-
teur Julius als Aufwiegler verhaften, und derselbe entging
mit Mühe den beschimpfendsten Mißhandlungen. Natürlich
war es auch gerade das besitzliche und verkehrtreibende Bür-
gerthum, welches von den Folgen der Revolution am mei-
sten zu leiden hatte. Denn in Berlin sah es den ganzen
Sommer von 1848 über so aus, als wenn jeden Augen-
blick wieder das Aeußerste sich ereignen, und durch einen ge-
waltsamen Uinsturz Alles wieder in Frage gestellt werden
könnte. Die Unsicherheit in allen Verhältnissen brachte be-
sonders den Gewerben und dem Handel Verderben. Einige
lausend Wohnungen standen in den Häusern ganz leer, da
viele Wohlhabende die Stadt verließen, und die Mieth-
preise waren überall um ein Drittheil gesunken. Viele
Arbeiter waren brodloö geworden und verlangten nun auf
Staatskosten beschäftigt zu werden. Solche Arbeiter bilde-
ten einen Hauptbestanbtheil der berliner Demokratie und ließen
sich durch verwegene Volksführer, zu denen sich herabgekom-
mene Literaten, verlaufene Schauspieler u. A. aufwarfen,