1861 -
Eisleben Leipzig
: Klöppel G. E. Schulze
- Autor: Nitzelnadel, Friedrich August
- Hrsg.: Christlicher Verein im Nördlichen Deutschland
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Reformiert
71
einer unter Trommelschlag anrückenden Kompagnie Solda-
ten gelang, die schon sehr gelichteten Massen zu zerstreuen
und den Platz zu säubern. Zwar wurde in den nächsten
Tagen von den geraubten Waffen Vieles wieder zurückge-
liefert, aber manches Unersetzliche blieb verloren. Jedoch
hatte der Schrecken dieser, in vieler Hinsicht räthselhaft ge-
bliebenen Nacht die Folge, daß viele, auch vom revo-
lutionären Rausch Ergriffene in sich schlugen, den dämoni-
schen Mächten des Abgrunds tiefer in das Auge schauten
und wieder eifriger um gut Regiment im Lande zu beten
anfingen.
So freisinnig auch der Verfassungsenüyurf war, wel-
chen der König der „Versammlung zur Vereinbarung der
preußischen Staatsverfassung" oder der Nationalversamm-
lung durch seine neuen Minister vorlegen ließ, so sehr man
auch noch vor wenigen Monaten mit dieser Gabe zufrieden
gewesen wäre; jetzt verlangte man unverständiger Weise
Dinge, welche die Regierung nicht zugestchen konnte, wollte
sie nicht den Bestand des Staats auf das Höchste gefähr-
den. Denn da auch diese Versammlung, wie damals die
meisten Landtage in Deutschland, aus einer Kopfzahlenwahl,
ohne weitere Bürgschaft der Wähler und der Gewählten,
hervorgegangen war, so war eine Masse von unfähigen
Leuten ohne politische Weisheit, ja ohne moralische und
religiöse Grundsätze hineingekommen, welche wohl nieder-
reißcn, aber nicht aufbauen konnten. Und diesen überwie-
gend radikalen Elementen gegenüber konnten die wenig tüch-
tigen und ausreichend staatsmännisch gebildeten Deputirten
kern genügendes Gegengewicht bilden. Daher fing diese
Versammlung bald an, sich auf den Boden der Revolution
zu stellen, die Radikalen in der Hersammlung buhlten um
die Gunst des Pöbels und suchten durch Drohungen auf
die Abstimmung der gutgesinnten Deputirten einzuwirken.
So wenig herrschte in dieser Versammlung Freiheit der
Meinungen, daß der berliner Prediger Sydow, der sich
in einer Rede nicht zur Lobpreisung der berliner Revolution
entschließen konnte, beim Heraustreten aus dem Versamm«
lungssaal von aufgeregten Volkshaufen gröblich mißhandelt
wurde. So weit war eö gekommen, daß, als am Abend
des 31. Oktober über eine, dem insurgirten Wien zu sen-
dende Hülfsleistung von der Versammlung bcrathcn werden
sollte und die radikale Linke dieses durchsetzen wollte, unru-
hige und muthwillige Volksschaaren die Thüren des Schau-