1861 -
Eisleben Leipzig
: Klöppel G. E. Schulze
- Autor: Nitzelnadel, Friedrich August
- Hrsg.: Christlicher Verein im Nördlichen Deutschland
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Konfession (WdK): Evangelisch-Reformiert
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bürg. Unterdessen war es auch gelungen, die Soldaten
des badischen Heeres durch Schmeicheleien, Vorspiegelungen
und Versprechungen aller Art zu verführen und zum Eid-
bruch zu verleiten. Zuerst an der Schweizergrenze und in
der Reichsfestung Rastadt brachen Empörungen der «Solda-
ten gegen ihre Offiziere aus, die vor den verwilderten und
betrunkenen Banden kaum ihr Leben retten konnten. Auf
der Volksversammlung zu Offenburg kamen ganz unsinnige
Beschlüsse zum Vorschein, welche auf einen völligen Umsturz der
Staatsverfassung abzielten, und es wurde z. B. für das
Heer freie Wahl der Offiziere verlangt. Dabei behaupteten
die Führer der Bewegung immer noch, die Volkserhebung
in Baden gelte nur der Einführung der Reichsverfassung,
die doch von einem derselben ein „lumpiges Machwerk"
genannt wurde. Wohl erkannte man in Karlsruhe die
ganze Größe der Gefahr und sandte Botschaft um Botschaft
an den Reichsverweser um militärische Hülfe, die aber nur
langsam anrückte und dem bewaffneten Aufstand Zeit ließ,
sich zu organisiren. Denn schon am Abend des 14. Mai
rückten von Bruchsal her, wo man sie wegen pöbelhafter
Erzesse hatte entfernen müssen, zwei Kompagnien des in
voller Auflösung begriffenen Leibinfantcrieregiments in der
Residenz ein, taumelnd vor Trunkenheit und das berüchtigte
Heckerlicd singend. Um die Kaserne, in welche sie einzo-
gen, sammelten sich starke Gruppen von sehr verdächtigem
Aussehen: eine Menge Personen, den Karlsruhern un-
bekannt, Herumtreiber von Profession, die von auswärts
her gekommen waren, und die an dem eingebornen Pöbel
eine Verstärkung erhielten. Diese hetzten die trunkenen und
ermatteten Soldaten in allerlei Weise auf. Als der Oberst
in der Kaserne erschien, um dein Tumult Einhalt zu thun,
wurde er arg mißhandelt und konnte nur mit Mühe sein
Leben retten. Selbst der Prinz Friedrich (zweiter Sohn des
Großherzogs), der Major bei dem Regimente war und bei
den Soldaten stets^für sehr beliebt gegolten hatte, entging
nur durch einen Sprung aus dem Fenster der sichtbaren
Lebensgefahr. Endlich wälzte sich der Troß, tobend und
schreiend, und hier und da die Gewehre abfeuernd, nach dem
Zeughaus, wo die militärischen Vorräthe des Landes gegen
rebellische Soldaten in einem ausdauernden Kampfe nur
noch von der Bürgerwehr vertheidigt wurden. Der Groß-
herzog, nur noch von 40 treuen Dragonern unter der An-
führung des Generals Hoffmann umgeben, floh in derselben