1858 -
Stuttgart
: Schweizerbart
- Autor: Pleibel, August Ludwig
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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schaffte sie nach Hanse. Ein Wundarzt wurde gerufen, der die nöthigen Vor-
kehrungen anordnete. Das Uebel nahm allmählig etwas ab, allein zwanzig
volle Jahre lang wurde das Bein nicht wieder gesund, zeigte vielmehr abwechselnd
alle möglichen Farben, und die mancherlei ländlichen Mittel, die von Zeit zu
Zeit angewendet wurden, konnten die Schmerzen nicht bemeistern. Plötzlich
verschwand die Krankheit aus deni Beine und warf sich aus die Augen, die
einige Zeit schmerzlich litten und deren Licht endlich erlosch. Nach zweijähriger
Blindheit erhielt die arme Leidende zwar das Augenlicht wieder, aber nun ver-
breitete sich das Uebel durch den ganzen Körper und verursachte bald da, bald
dort Schmerzen und endlich noch dazu fast völlige Taubheit. In diesem Zu-
stand verblieb die Unglückliche. Als der bekannte Naturforscher Lenz sie sah,
war sie 60 Jahre alt: ein einziger Kreuzotterbiß hatte ein langes Menschen-
leben vergiftet.
An manchen Orten der Alb, namentlich auch in dem Tiefen th a l
(in der Nähe von Blaubeuren) zeigt sich häufig eine Giftschlange, nach
Form und Umfang der Kreuzotter ähnlich, aber schwarz wie die Nacht, mit
nur wenigen lichten Flecken unter dem Kinn. Das Landvolk der Umgegend
nennt sie Höllennatter.
Eine 35jährige Frau graste zu Anfang Septeinbers 1848 in einem Walde,
wobei sie, am Boden knieend, die Sichel handhabte. Eben einmal setzte sie
wieder ihr rechtes, vom Kleide nicht hinreichend bedecktes, Knie an den Boden,
als sie unter dem Knie etwas Lebendiges, sich selbst aber sogleich darauf in
den Schenkel gebissen fühlte. Auffahrend sah sie eine schwarze Otter eilends
entfliehen. Der Biß verursachte ihr heftige Schmerzen; der Schenkel schwoll
an; sie fühlte sich matt und übel und vermochte kaum noch ihr Haus und ihr
Bette zu erreichen. Hier trat Schwindel und Erbrechen ein; der Fuß schwoll
von der Zehe bis zum Unterleib furchtbar an, ward feuerroth, sehr heiß und
hart, und es stellten sich Kopfschmerzen, Delirien, heftiges Fieber und nnlösch-
licher Durst ein. Waschungen der Wunde mit Salmiakgeist rc. und Flieder-
thee in Masse getrunken, nebst Abführungsmitteln stellten indessen die Kranke
innerhalb acht Tagen wieder her.
Der um die Schlangenkunde Deutschlands so verdiente vr. H.c. Link,
dessen Schrift obige Mittheilungen entnommen sind, erkennt in dieser
schwarzen Natter nichts Anderes, als einen, übrigens gesunden, weiblichen
Kakerlak der Kreuzotter.
Einwohner.
Wie die Alb als natürlicher Grenzwall zwischen Niederschwaben
und Oberschwaben erscheint, so bildet auch der Bewohner der Alb
deli Uebergang vom Niederschwaben zllm Oberschwaben, und dies
gibt sich, wie schon in den Sitten, so namentlich auch in der
Mundart zll erkennen, die sich gegen die Donau hin mehr und
mehr dem Oberschwäbischen und selbst dem Schweizerischen nähert.
Durchschnittlich von mittlerer Große steht der Bewohner der
Alb an Muskulosttät und Kvrperkraft dem an weit anstrengendere
Arbeit gewöhnten Bewohner der Weingegenden uild an Korpulenz
und blühendem Aussehen dem einer kräftigeren Nahrung sich er-
freuenden Bewohner der Korngegcnden merklich nach; dagegen ziert