1865 -
Langensalza
: Greßler
- Autor: Mauer, August
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt: Zeit: Altertum, Mittelalter, Neuzeit
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und Verehrung. In demselben Grade, wie Elisabeth einer ehelichen
Verbindung abgeneigt war, wünschte Maria dieselbe. Jene verlangte
aber, daß sie sich mit ihrer Zustimmung vermähle. Maria wies
dieses Verlangen zurück und vermählte sich ohne Zustimmung Elisa-
beth's mit dem jungen Könige Franz 11. Dies war die glücklichste
Zeit ihres Lebens. Alles huldigte ihrer Würde, ihrer bezaubernden
Anmuth, und der junge König hatte sie von Herzen lieb. Doch
nur anderthalb Jahre regierte Franz Ii., als ein früher Tod ihn
hinwegraffte. Bald darauf starb Maria's Mutter, die bis dahin
als Regentin die Regierung in Schottland geführt hatte.
Bei der Reizbarkeit weiblicher Gemüther, welche auch in Kleinig-
keiten Grund zu Zwiespalt finden, bei der Neigung Elisabeths, sich
in Maria's persönliche Angelegenheiten zu mischen und bei der Eifer-
sucht in dem Rangstreite der Schönheit zwischen beiden Frauen, war
an dauernde Eintracht nicht wohl zu denkeil, und mußten zu den
alten stets neue Gründe der Spannung hinzutreten.
Unter der Regentschaft war es in Schottland sehr unruhig zu-
gegangen; die neue Lehre der Protestanten hatte auch hier Wurzel
gefaßt, besonders durch einen Schüler Calvins, Johann Knox, der
mit dem ganzen Feuer seiner Beredsamkeit und Ueberzeugung gegen
den katholischen Lehrbegriff kämpfte. Seine heftigen Predigten ent-
flammteil das Volk so zur Glaubenswuth, daß es die katholischen
Kirchen ausplünderte und die Priester inißhandelte, und als die
Regentin die Uebermüthigen strafen wollte, stand Alles gegen sie
auf. Mit Vergnügen sah Elisabeth, wie die Schottländer nach dem
Tode der Regentin die katholische Religion abschafften und die re-
formirte Lehre einführten; ihren lauerilden Blicken entging Nichts,
was iil dem Nachbarlande vorging. Sie wußte, daß die Wünsche
und Hoffnungen aller Katholiken auf Maria Stuart gerichtet waren.
Ungeachtet Maria keine Lust hatte, Frankreich zu verlassen, so
forderte doch die Lage der Dinge in Schottland ihre Anwesenheit.
Am 15. August 1561 segelte sie mit zwei Galeeren- und vier Trans-
portschiffen von Calais ab. So lange sie die französische Küste noch
zu seheil vermochte, ruhete ihr Blick unverwandt auf dem Lande, an
lvelchein ihre Liebe hing. »Lebe wohl, Frankreich, lebe wohl! Ich
werde dich nimmer Wiedersehen!« rief sie im schmerzlichsten Tone
iuehrmals aus. Ohne die englische Küste zu berühren, fuhr sie nach
Schottland hinüber. Die königlichen englischen Schiffe, weit ent-
fernt, Maria aufzulauern, um sie aufzufangen, wie es von Vielen
behauptet worden ist, waren nur in See, um dieselbe von See-
räubern zu reinigen, und entließen der Köiügin Schiffe, die sie aller-
dings untersuchten, niit den gebührenden Ehren.
Maria landete den 19. August 1561 in Schottland. Alle Stände
strömten zusammen, der schönen Herrscherin ihre Huldigung zu
bringen. Kaum 19 Jahre alt, stand sie jetzt in der Blüthe ihrer