1865 -
Langensalza
: Greßler
- Autor: Mauer, August
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt: Zeit: Altertum, Mittelalter, Neuzeit
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Arbeit ober erth eilte Audienz. Um 7 Uhr Abends besuchte er das
Theater oder eine Gesellschaft, welche in der Regel immer aus
denselben Personen bestand und in der sich Joseph als der liebens-
würdigste Privatmann zeigte. Wenn er zurückkehrte, arbeitete er
abermals, indem er eingelaufene Berichte und Depeschen durchflog
und Ausfertigungen Unterzeichnete. Gegen ll Uhr begab er sich
zu Bette, wenn nicht wichtige Geschäfte den Schlaf ihm verscheuch-
ten. Gab es viel zu thun, so arbeitete er tief in die Nacht hinein
und mußte oft von seinen Dienern erinnert werden, seine Gesund-
heit nicht ganz und gar zu vergessen.
Wenn Gefahr war, z. B. Feuersnoth, eilte er stets zur Hilfe
herbei, griff eifrig mit an, ermunterte die Umstehenden und leitete die
Rettungsanstalten mit bewunderungswürdiger Besonnenheit. Dann
vertheilte er Geld unter die Leute, wie er denn nie ausging, ohne
ein Summe von 100 Dukaten beizustecken, die im Laufe des Tages
an Arme oder Leidende gespendet wurden. — Joseph liebte sein
Volk und wünschte von ihm geliebt zu werden. So öffnete er den
bisher nur dem Adel zugänglichen Augarten allem Volke zur Be-
lustigung und setzte über den Eingang die Inschrift: »Allen Menschen
gewidmeter Erlustigungsort von ihrem Schätzer.« Als die adeligen
Herren sich beklagten, daß sie nun nirgend mehr ein Plätzchen hätten,
wo sie ganz ungestört unter sich sein könnten, erwiderte Joseph:
»Wenn ich immer nur unter meines Gleichen leben wollte, so müßte
ich in die Kapuzinergruft hinabsteigen, wo meine tobten Ahnen ruhen,
um hier meine Tage zuzubringen.«
Niemand von seinen Umgebungen vermochte so viel zu leisten,
wie er; er regierte allein und fünf Kabinetssekretäre vollzogen seine
Befehle und schrieben seine Diktate nieder. Bei dieser Thätigkeit,
die immer nur das Beste des Volks bezweckte, war es nicht zu
verwundern, daß das Volk seinen Herrscher liebte; aber der Adel
und die Geistlichkeit glaubten, ihn fürchten zu müssen. Joseph hob
die Verbindung zwischen den Ordensleuten und dem Papste auf,
verminderte zum Theil die früher ausgesetzten Pensionen, verbesserte
die Lage der Juden, vernichtete die letzten Spuren der Leibeigen-
schaft und zog eine Menge Klöster ein. Alle Zweige der Staats-
verwaltung, das Kirchenwesen, die Schulen, die Polizei, der Landbau
wurden verbessert. In Folge mannichsacher Neuerungen empörten
sich die Ungarn und Niederländer gegen ihn und verbitterten ihm
die folgenden Jahre seiner Regierungszeit.
Schon im Januar 1790 fühlte er, daß sein Körper erliege und
mit schnellen Schritten dem Grabe zueile; aber noch arbeitete er bis
zum letzten Tage seines Lebens. Am 19. Februar 10 Uhr Abends
entließ er seine Sekretäre und ließ seinen Beichtvater kommen. Die
wichtigsten Angelegenheiten des Staates waren der Gegenstand seiner
letzten Phantasieen. Er betete: »Herr, der Du allein mein Herz