1865 -
Langensalza
: Greßler
- Autor: Mauer, August
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt: Zeit: Altertum, Mittelalter, Neuzeit
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Da stand nun Napoleon auf dem Gipfel des Ruhmes, und er
schien unbezwingbar, obschon die treuen Tyroler — Speckbacher,
Andreas Hofer — in ihren Bergen und die hochherzige Nation
der Spanier zeigten, daß wahre Vvlkskraft sich nicht so leicht be-
zwingen lasse. Aber etwas fehlte ihm noch, um den mächtigen
Fürsten Europas sich gleich zu stellen, und er verstieß seine treue
Gemahlin Josephine und vermählte sich 1809 mit Marie Louise,
der Tochter des Kaisers Franz. Diese gebar ihm 1810 einen
Sohn, Napoleon Ii., in der Wiege schon König von Rom, und
ist doch nie auf einen Thron gekommen; denn der Vater, so hoch
gestiegen, bereitete sich selbst und allen den Seinigen das Verderhen.
Nur ein Fürst, nur ein Reich war noch in Europa, welches sich
mit Napoleon messen konnte; dies war Rußland und sein edler
Kaiser Alexander. Wohl fühlte dieser, daß er nicht länger jenes
Mannes Herrschsucht leiden dürfte, welcher immer willkürlicher mit
den Völkern und Staaten verfuhr, so daß jener für sein eigenes
Reich fürchten mußte. Aber auch Napoleon wußte, daß er sich
nicht eher also, wie er wollte, Herr von Europa nennen könne, bis
jener Gebieter des ausgedehntesten Reichs auf Erden besiegt wäre.
Und um ihn zu besiegen, bot er alle Kriegsgewalten auf, über
welche sein mächtiges Scepter gebot. Mit einem Heere von mehr
als 600,000 Mann, welches fast aus allen Völkern Europas zu-
sammengesetzt und vortrefflich ausgerüstet war, so daß es von mensch-
lichen Waffen fast nicht besiegbar schien, überschritt Napoleon die
Grenze Rußlands (24. Juni 1812). Die Russen aber zogen sich
immer weiter zurück und ließen ihm ein ödes, unvertheidigtes und
von allen Lebensmitteln entblößtes Land zum Durchmarsch. Nur
bei Smolensk, dann an der Moskwa ward fürchterlich blutig
gekämpft, und Napoleon erfuhr, obgleich er sich Sieger nennen durfte,
den ganzen Grimm der Russen.
Aber der Weg nach M o s k a u, der alten Z a r e n st a d t, stand
ihm offen, und im September war er Herr derselben. Und zu
rechter Zeit; denn schon war die Jahreszeit rauher, und rasch rückte
in dem nördlichen Lande der Winter heran, wodurch der Mangel
an Lebensmitteln (denn die Russen hatten Alles vor sich her zer-
stört) um so empfindlicher würde. Auch mit dem Besitze Moskaus
war nicht viel gewonnen; es war eine ungeheure Stadt ohne Men-
schen, und bald sollten er und all die Seinigen auf die furchtbarste
Weise cm§ ihren schönen Hoffnungen gestürzt werden. Denn die
ganze, große herrliche Stadt, mit .allen ihren Reichthümern und
Kostbarkarkeiten, ging — der flammende Beweis der aufopferndsten
Vaterlandsliebe des Befehlshabers der Stadt, Rostop sch in, — in
Feuer auf. Nur mit Mühe entging Napoleon aus dem Kaiserpalast,
Kreml, dem Feuertode; unter unsäglichen Schwierigkeiten suchten