1845 -
Berlin
: Klemann
- Autor: Duller, Eduard
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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Erstes Buch. Elster Abschnitt.
seine Gewalt und schor ihnen die Scheitel, daß sie geistlich würden. Wie
der Vater drum wehklagte, tröstete ihn der Sohn: „Das grüne Holz treibt
frisches Laub." „So muß ich den Stamm umhauen", meinte Chlodwig und
ließ beide ermorden. Dann erhob er Krieg gegen seinen Vetter zu Cam-
bray und nahm ihn nebst seinem Bruder gefangen. „Was schändest Du
unser Geschlecht, daß Du Dich binden lassest?" fuhr er den Fürsten an und
spaltete ihm, wie im Zorn, den Schädel; — „und Du, warum standest Du
Deinem Bruder nicht bei?" rief er dem Andern zu, und erschlug ihn wie
zur Sühne. Nachdem er nun so blutig gewaltet, besorgte er, daß sich den-
noch etwelche Verwandte gerettet hätten, und klagte einstmals in der Ver-
sammlung des Volks: „Weh mir, daß der Himmel mir alle Blutsverwandte
genommen, und daß ich einsam bin auf Erden;" so hoffte er, daß das Mit-
leid ihm die verrathen würde, welche ihm etwa entkommen wären; aber Alle,
die da waren, schwiegen still. Da athmete er frei auf, weil nun seinen
Söhnen das Reich sicher verblieb. Und als er im Jahre 511 zu Paris im
Sterben lag, pries er Gott den Herrn, daß er mit dessen Hilfe den Zweck
seines Lebens erreicht hatte. Wohl stand sein Werk fest; doch der Fluch
seiner Thaten ist seinen Kindern und Kindeskindern furchtbar heimgekommen.
11.
Wenn der Leib in Staub zerfallen,
Lebt der große Name noch.
Schiller.
Während Chlodwig mit blutbefleckten Händen das zerstückelte alte Gal-
lien in sein neues Frankenreich zusammenschmolz, gründete Theodorich, der
Fürst der Ostgothen, ein anderes großes Reich.
Dieser war in Konstantinopel als Geißel erzogen worden, hatte dort
die Schwäche des morgenländischen Kaiserthums erkannt, als Jüngling
kühne Kriegsfahrten gethan, und, nachdem ihn sein Volk als König ausge-
rufen, bedrohte er den Kaiser, seinen Nachbar. Aus Besorgniß wies ihn
nun dieser nach Italien, wo damals Odoaker herrschte; den sollte er ver-
treiben und das Land erobern; dadurch gedachte der Hof zu Konstantinopel
sich der Ostgothen zu entledigen und zugleich einen Feind durch den andern
zu vertilgen. Da fragte Theodorich sein Volk, ob es mit ihm gen Italien
ziehen wolle, und als es ihm freudig beistimmte, führte er eö im Jahr 489
dahin. Unterwegs erfrischte er es durch Siege auf Siege und nahm den
Fürsten der Rugier, welchen Odoaker vertrieben hatte, in seinen Schutz auf.
Wie nun die Ostgothen über die Schwelle Italiens traten, zog ihnen
Odoaker zürnend entgegen, sich des Besitzes zu erwehren. Aber Theodorich
schlug ihn, zuerst am Fluß Jsonzo, dann vor der Stadt Verona, hierauf
am Flusse Ädda; endlich eroberte er (im I. 493) die feste Stadt Ravenna,
in welcher Odoaker sich lange vertheidigt hatte, und gelobte dem Besiegten,
daß er ihn bei Freiheit und Leben lassen wolle. Weil ihm aber hinterbracht
wurde, daß Odoaker ihm heimlich nachstelle, so erschlug er ihn beim Gastmahl.
Bald unterwarf sich nun dem König der Ostgothen ganz Italien, das
allzu verderbt, zu ohnmächtig und zu zerrüttet war, als daß es ohne einen
gewaltigen Oberherrn hätte bestehen können. Der Kaiser in Konstantinopel,
in seiner eigenen Schwäche, erkannte dies gar wohl, und sandte dem Sie-