1845 -
Berlin
: Klemann
- Autor: Duller, Eduard
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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Fünftes Buch. Fünfter Abschnitt.
tag, daß sich zwei katholische Gottesgelehrte und ein protestantischer über die
kirchlichen Streitfragen besprachen und einen Entwurf zu Stande brachten,
wie es in Sachen der Religion einstweilen, bis zur Entscheidung der
echten Kirchenversammlung (die in Bologna erkannte nämlich der Kaiser
nicht an) gehalten werden sollte. Diese Vorschrift hieß das „Interim",
weil sie nur einstweilen (interim) gelten sollte. Darin waren nun fast
alle Hauptsätze der evangelischen Lehre auf römisch-katholische zurückgeführt,
nur der Gebrauch des Abendmals unter beiderlei Gestalt und der Fortbe-
stand der Priesterehen (aber auch diese bloß für einstweilen) zugestanden.
Viele Reichsstände nahmen dies „Interim" an; der gefangene Kurfürst Jo-
hann Friedrich von Sachsen hingegen, der landlose Fürst Wolfgang von
Anhalt, und mehre andre Fürsten weigerten sich dessen standhaft, auch Kur-
fürst Moritz. Vom Volk wurde das Interim fast überall in Deutschland,
bei Katholiken wie bei Protestanten, mit gleichem Hohn und gleicher Er-
bitterung ausgenommen, gleichwohl aber mit Gewalt aufgedrungen. In
Kursachsen ließ Moritz zu Gunsten der Protestanten ein eignes Interim (das
sogenannte „Leipziger") abfassen; doch war auch dies den eifrigen Prote-
stanten noch immer zu päpstisch. Alle Feinde des Interims aber, alle ver-
folgten evangelischen Prediger fanden in der freien Reichsstadt Magdeburg
herzliche Aufnahme und treuen Schutz, also daß Magdeburg damals eine
rechte Machtburg der Glaubensfreiheit war. Dies reizte den Zorn des
Kaisers, denn Niemand sollte sich auflehnen gegen seine Machtgebote; und
er gebot (1549) den Kurfürsten Moritz von Sachsen und Joachim Ii. von
Brandenburg, des Reiches Acht und Aberacht an der trotzigen Stadt Mag-
deburg zu vollstrecken. Da aber sowohl von protestantischer als von katho-
lischer Seite immerfort Klagen über Klagen gegen das Interim erschollen,
so verwies er männiglich auf die Kirchenversammlung, welche 1550 wieder
zu Trient hergestellt worden war. Doch von dorther war keine Einigung
zu hoffen. Die Reichsstände wollten nur ein allgemeines, freies Eon-
cilium; selbst die katholischen Fürsten trugen Bedenken, das Trienter zu he-
schicken, und auch der Papst wünschte, daß es sich auflösen möchte. So
herrschte denn damals eine trostlose Verwirrung; der Kaiser aber hegte
im Stillen den Plan, seinen Sohn Philipp, einen strengkatholischen Prin-
zen, welchem er die Nachfolge in deir spanischen Reichen zugedacht hatte,
auch in Deutschland, anstatt Ferdinands, zu seinem Nachfolger wählen zu
lassen. Zum Glück für's Vaterland vereitelten die Kurfürsten diese Wahl
durch eine Standhaftigkeit, welche in jener Zeit der Bedrängniß doppelt
ehrenwerth war.
Mittlerweile trug der Kurfürst Moritz den schmerzhaftesten Stachel im
Herzen. Mit dem ganzen Feuer seiner kühnen Seele hing er an der evan-
gelischen Lehre und sollte nun selbst das Werkzeug zu ihrer Vernichtung sein!
Auf sein Wort und das des Brandenburgers hatte sich sein Schwiegervater,
Landgraf Philipp, dem Kaiser unterworfen und schmachtete nun, — dem
Fürstenwort zum Hohn, und obwohl er alle Bedingungen ehrlich erfüllt
hatte, — in Karls Gefängn.iß! Als ein zweideutiger Mann stand Moritz
vor deir Augen seiner Glaubensgenossen, ja ganz Deutschlands da, obwohl
er redlich alles Mögliche aufgeboten hatte, um die Befreiung des Landgrafen
vom Kaiser zu erwirken; er'sah sich getäuscht, er sah die weiteren Folgen
des Frevels, zu welchem er sich früher durch seinen Ehrgeiz hatte verleiten
lassen, nämlich den drohenden Untergang der deutschen Freiheit und
Verfassung, die damals einzig auf der Erhaltung der Fürstenmacht ge-