1845 -
Berlin
: Klemann
- Autor: Duller, Eduard
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Neichsverfaffung unter Karl V.
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deputation", deren Zweck es war, die Mittel zur Erhaltung des Land-
friedens in jenen Fällen zu berathen, in welchen dies den Kreisen nicht völ-
lig gelang. Uebrigenö erschuf Karl V. 1548 einen neuen Reichsstand, nämlich
die sogenannte „Reichsritterschaft"; das war eine Bereinigung aller
jener Ritter, welche unmittelbar unter dem Reiche standen, im Gegen-
satz zum Landadel; diese Reichsritterschaft leistete der kaiserlichen Kammer
einen eigenen Beitrag, genoß einige Hoheitsrechte (wie z. B. die Gerichts-
barkeit und das Recht der Steuerumlage), bildete eigene Ritterordnungen
und hielt regelmäßige Zusammenkünfte. Die Reichsstädte standen damals
noch im höchsten Wendepunkt ihrer Blüthe, Macht und Bedeutung; ihre
Gemeindewesen waren wohl geordnet und verwaltet; aber die ungeheuren
Reichthümer der Bürger steigerten den verderblichen Uebermuth in Sitten
und Bräuchen allzusehr; und, während sie dem Luruö nachhingen, fing die
Macht schon zu verdorren an. Laut der Reichspolizeiordnung vom Jahre 1530
gab es vier Klassen von Bürgern, nämlich: gemeine Bürger und Handwer-
ker, dann Kauf- und Gewerbsleute, Rathsmänner von wegen ihrer Abkunft
und Vermögens, endlich Doktoren (oder graduirte Gelehrte). Besonders be-
haupteten die Kaufleute ein gar großes Ansehen durch ihre ungemeine
Geld macht. Das auffallendste Beispiel davon gab die Familie der Fug-
ger in Augsburg. Diese Fugger hatten ihre Flotten auf den weiten Mee-
ren und bauten in ihrer Vaterstadt hundert und sechs Versorgungshäuser für
die Armen; gleich Fürsten beschützten und beschäftigten sie berühmte Künstler
und Gelehrte, und, so recht als Bürger, ließ einmal ein Fugger aus seinem
eigenen Schatz 80,000 Goldgulden prägen, weil es der Stadt an Geld fehlte,
um dem Kaiser das geforderte Strafgeld zu bezahlen. Kaiser Karl V. liebte
die Fugger sehr und wohnte gern bei ihnen, wenn er nach Augsburg kam.
So kehrte er auch einstmals im Juni 1530 auf dem Rückweg von Italien
bei einem Fugger in Augsburg ein und entschuldigte sich bei diesem, daß er
ihm eine große Summe Geldes, die ihm der Fugger geliehen, noch nicht
habe zurückzahlen können. Es war kalt Wetter, und der Kaiser sprach, wie
verschieden doch das welsche Klima vom deutschen sei. Da läßt ihm der
Fugger im Kamin ein Feuer von duftendem Zimmtholz machen (eine Unze
Zimmt galt damals zwei Dukaten) und warf stolz einen noch viel kostbare-
ren Brennstoff hinein, nämlich die Verschreibung auf jene Gelder, welche er
dem Kaiser vorgeschoffen hatte. Bei solchem Feuer mag einem Kaiser der
Frost wohl vergehen. — Die fürstliche Gewalt endlich erstarkte in jener
Zeit außerordentlich, und zwar bei einem Theil der Fürsten (nämlich bei
den evangelischen) in Folge der Reformation (wie schon erzählt); sodann
auch gerade in Folge der Bestrebungen des Kaisers Karl V., sie in ihre
alten Grenzen zurückzudrängen, weil sie nun alles Mögliche versuchten, um
dagegen ihre Selbstständigkeit zu behaupten. Noch immer übten dabei die
Landstände ihr heilsames Recht; doch schon trug auch diese Anstalt den Keim
des Verderbnisses in sich, weil die Landstände, den Geist und die geschicht-
liche Begründung ihres Instituts verkennend, sich häufig allzustreng nur je
auf ihre einzelnen Standesinteressen beschränkten und die allgemeinen Lan-
des- und Volk sinteressen darüber aus den Augen ließen, da sie doch ur-
sprünglich Landes- und Volksvertreter sein sollten. Dadurch aber wurde
der fürstlichen Willkür und dem Beamtenwesen in den einzelnen deutschen
Ländern ein immer größerer Spielraum gegeben.
Nach Karls V. Abdankung wurde dessen Bruder Ferdinand, welcher
bisher römischer König gewesen, nun Kaiser, nachdem er den Fürsten eine