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1. Die Geschichte des deutschen Volkes - S. 419

1845 - Berlin : Klemann
Kaiser Joseph Ii. 419 Auch Oesterreich suchte jetzt im engeren Anschluß an Rußland ein Ge- gengewicht gegen Preußen zu erlangen und Kaiser Joseph Ii. reiste deshalb selbst zu Katharina Ii., gewann ibre Neigung und bewirkte zugleich, daß sie völlig gegen Friedrich Ii. eingenommen wurde; außerdem fesselte Katharinen das Interesse ihrer Politik an Oesterreich, weil sie dessen Unterstützung bei dem Krieg gegen die Türken im Auge hatte. Um nun das klebergewicht Oesterreichs in Deutschland wieder zu schwächen, wurde von Seiten Preu- ßens dem russischen Hofe vorgestellt, daß es Rußland gezieme, die deutschen Verfassungen und zumal die kleineren Fürsten zu beschirmen. Das gefiel Katharinen Ii. gar wohl; sie schickte Gesandte an die deutschen Fürstenhöfe und ließ diesen bedeuten, wie Rußland fortan ihr großmüthiger Beschützer sein wolle. Kaiser Joseph Ii. nahm mit tiefem Unwillen diese Anmaßung auf; ihm schwebte der Plan vor, das zersplitterte Deutschland wieder durch ein großes, starkes Kaiserthum iin alten Umfang der Würde und Macht zu vereinigen; ein schöner romantischer Traum, aber unausführbar in der Wirklichkeit, weil er die ganze geschichtliche Entwicklung der Nation gegen sich hatte, und weil sich eine Form, sei sie zur rechten Zeit atlch noch so zweckmäßig und herrlich gewesen, nie wieder Herstellen läßt, wenn sie ein- mal in ihrer Zeit den höheren Zweck erfüllt hat; denn alle Staatsformen sind stets nur Mittel, — die Nation ist der höchste Zweck, dem sie dienen. Seine Erblande aber wollte Joseph Ii. zu einem einzigen Staate verschmelzen, in welchem alle Stände, alle Glaubensbekenntnisse staatsbür- gerlich einander gleichgestellt seien. Als nun seine edle Mutter, Maria The- resia (1780) starb, begann er, mit Feuereifer für Licht und Freiheit, das schöpferische Werk durchgreifender Umgestaltung in seinen Staaten. Mit richtigem Scharfblick erkannte er, daß die Kraft eines Staates in dem Volke liegt; und mit warmem Herzen strebte er, dessen Bildung und Aufklärung, dessen Befreiung von alten Lasten, kurz, dessen wahres Glück in jedem Sinne zu befördern. Leider war jedoch das Volk in seinen Erbstaaten für die herrlichen Plane Josephs, welcher kühn seiner Zeit voraneilte, noch nicht völlig reif; Priesterherrschaft und Adelsgewalt hatten es im Verlauf der Zeiten so tief herabgedrückt, daß es die Segnungen der neuen Freiheit nur langsam begriff. Joseph Ii. erließ am 15. Oktober 1781 das berühmte To- leranzedikt, wodurch er den Lutheranern, Reformirten und nichtunirten Griechen die freie Ausübung ihres Gottesdienstes erlaubte und sie in allen bürgerlichen Rechten gleichstellte; nur eine kleine Zahl von Menschen, welche, als Abkömmlinge von unterdrückten Protestanten, ohne Bibel, Gott bloß nach ihrer Vernunft verehrten und „Deisten" (Gottesgläubige) hießen, wurden insofern davon allsgeschlossen, als sie irgend ein geduldetes Be- kenntniß annehmen sollten. Gleichwohl erklärte Joseph die katholische Kirche als Staatskirche; aber alles Fremdartige in ihr sollte ausgeschieden, sie sollte vornehmlich von der römischeil Hierarchie unabhängig wer- den. So legte Kaiser Joseph Ii. kühn Hand an- die Vollendung eines Werkes, an welchem die edelsten Geister der deutschen Nation Jahrhunderte lang vergeblich gearbeitet hatten. Keine päpstliche Hülle durfte fortan ver- kündigt werden ohne vorhcrgegangene Genehmhaltung -es Kaisers, auf daß der Staat in seiner Eristenz vor den Eingriffen des römischen Hofes gesichert bleibe. Joseph Ii. ließ plötzlich viele hundert Klöster aufheben; nur solche sollten fortbestehen, deren Mönche oder Nonnen sich mit dem Unterricht der Jugend oder mit der Krankenpflege beschäftigten; nicht länger sollten dem Staate viele Tausende von Menschen entzogen werden, welche bisher in ei- 27*
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