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1. Die Geschichte des deutschen Volkes - S. 420

1845 - Berlin : Klemann
420 Sechstes Buch. Sechster Abschnitt. nem für heilig gehaltenen Müßiggang gelebt hatten; die Güter der aufge- hobenen Klöster ließ Joseph einziehen und zu gemeinnützigen Stiftungen verwenden, nämlich zur Gründung neuer Volks- und gelehrten Schulen, zur Herstellung von Hospitälern, Waisenhäusern, Findelhäusern und ähnlichen Anstalten. Die Messe mußte in deutscher Sprache gesungen werden, wozu der wackre österreichische Dichter und Gelehrte Michael Denis geistliche Lieder verfaßte; die heilige Schrift wurde in die Landessprache übersetzt; die Wallfahrten, so häufig ein Anlaß zu grober Unsittlichkeit, wurden abge- schafft. Diese und noch mehre andre wichtige Maßregeln Josephs Ii. mach- ten ihm die Geistlichkeit abgeneigt und erregten die größte Besorgniß des römischen Hofes. Da machte sich 1782 der Papst Pius Vi. auf den Weg und fuhr gen Wien, um durch persönliches Ansehn und Ueberredung den Kaiser von seinen Neuerungen zurückzuhalten. Joseph Ii. empfing das Ober- haupt der katholischen Kirche mit der größten Feierlichkeit und Höflichkeit, ließ sich aber auf keine Unterredung über kirchliche Angelegenheiten mit ihm ein, so daß der Papst unverrichteter Dinge Wien verließ. Joseph Ii. be- trieb nun die Lostrennung der katholischen Kirche von der Oberhoheit des römischen Stuhles immer eifriger. Diese Angelegenheit beschäftigte damals die edelsten deutschen Männer der höheren katholischen Geistlichkeit. Der Weihbischof von Trier, Johann Nikolaus von Hontheim, ein grundgelehrter, unbescholtener und frommer Mann, ließ (1765) unter dem Namen Justinus Febronius eine Schrift über den Zustand der Kirche und die rechtmäßige Gewalt des Papstes im Druck ausgehen, worin die Lehre vom Primat des Bischofs zu Rom (d. i. des Papstes) zwar mit großer Mäßigung im Ausdruck, aber dafür mit um so tiefer eindringlicher Beweiskraft in ihrer Haltlosigkeit dargestellt wurde, zum größten Aerger des römischen Hofes, aber zur Freude vieler deutscher Fürsten und so recht aus dem Herzen aller hellerdenkenden unter den katho- lischen deutschen Bischöfen, welche nun den Plan einer von Rom unabhän- gigen^ katholischen Nationalkirche in Deutschland lebhaft auffaßten und ins Werk zu setzen suchten. Zu diesem Zwecke kamen 1785 mehre deutsche Bischöfe im Bad Ems zusammen und entwarfen dreiundzwanzig Artikel, worin sie sich verbanden, die Eingriffe des Papstes in ihre bischöf- lichen Rechte nicht langer zu dulden; statt der päpstlich-römischen Oberherr- schaft -über die ganze katholische Kirche sollte die alte, auf geschichtlichen Rechten begründete Verwaltung derselben durch (einander gleichgestellte) Bischöfe wieder eingesetzt werden. Dies Vorhaben scheiterte jedoch leider an dem Widerspruch mancher anderer Bischöfe, welche an Rom hingen, und auch daran, daß Kaiser Josephs Ii. Eifer für die kirchlichen Angelegenhei- ten allmälig erkaltete. In der Verwaltung des Staats wese ns wollte Kaiser Joseph Ii. eben bloß höchster Verwalter des Staates sein. Deshalb litt er keine Unterhändler und Vermittler zwischen sich und seinem Volk. Vor der Thüre des Kabinets, in welchem er vom frühen Morgen bis spät in die Nacht arbeitete, standen immer zahllose Leute jedes Standes (denn jeder durfte frei zu dem Kaiser kommen und mit ihm reden); da ging Joseph von Stunde zu Stunde hinaus, nahm ihnen ihre Bittschriften ab und führte sie oft in sein Zimmer, daß sie ihm alles sagten, was sie auf dem Herzen trugen. Schon seine edle Mutter hatte große Verbesserungen eingeführt, vornehm- lich die Abschaffung der Folter, der Herenprozesse und der Inquisition. Jo- seph erwarb sich ewigen Ruhm, indem er die so lange unterdrückten Juden
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