1837 -
Leipzig
: Crayen
- Autor: Vormbaum, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Stadtschule, Landschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Das Churfürstenth. Brandend. bellm Abtreten d. luxemb. Linie. 41
15. Das Churfürstenthum Brandenburg bei'm
Abtreten der luxemburgischen Linie.
Wenig Land, wenig Einkünfte, viele innere und äußere Kriege
und Unruhen, viel Noth und Elend überall, das war der Zustand
des Staates, den Friedrich für seine 400,000 Dukaten an sich ge-
bracht hatte. Nur die Mittelmark war noch ungetheilt. Von der
Altmark hatten Magdeburg und Braunfchweig, von der Priegnitz und
Ukermark, Pommern und Mecklenburg beträchtliche Strecken inne.
Alle übrigen Landestheile waren ganz verloren. Und wäre in diesem
kleinen übriggebliebenen Theile nur Wohlstand gewesen, so hatte sich
um so eher die Möglichkeit gezeigt, daß der vor hundert Jahren so
mächtige Staat sich recht bald wieder erholen werde; aber welch ein
Bild tritt uns hier entgegen! Die Aecker lagen verwüstet und unbe-
baut. Man wußte ja am Morgen nicht, ob nicht am Abend schon
die Hufe der Rosse Alles zertreten und Räuber Alles foctgeschleppt
haben würden. Der Dörfer viele lagen in Aschenhausen, die Städte
waren ihres Handels und ihres Wohlstandes beraubt. Unglückliche Men-
schen zogen hungrig umher, ohne Obdach, ohne Kleidung, und wurden
aus Noch — Räuber. — Der größte Theil des Adels verdiente die-
sen Namen nicht, er gehörte zu dem Raubgesindel; der kleine bessere
Theil verschloß sich in seine Burgen, aus Furcht, bei nächster Gelegen-
heit ausgeplündert zu werden. Der Bürger konnte sein Gewerbe
nicht ausüben, und wenn er es auch betrieb, er vermochte wegen der
Lähmung des Handels seine Waare nicht abzusetzen.
Am meisten seufzte der Landmann. Wehrlos, der Willkür preis
gegeben, war er am härtesten gedrückt und daher am unglücklichsten.
Auf ihm ruhete fast die ganze Last der Abgaben, und wurde er nun
der Mittel seiner Ernährung und seines Erwerbs, nämlich des Viehes
und der Ackergeräthe, beraubt, woher dann Brot nehmen in der Wüste?
Darum nahmen Trägheit und Stumpfsinn in diesem Stande ganz vor-
züglich überhand.
Die Landeseinkünfte waren bis auf 30 bis 40,000 Thaler her-
abgesunken. Und das war gar nicht anders möglich. Zölle, Forsten,
Gerichtsbarkeit und Münzgerechtigkeiten waren theils verkauft, theils
verpfändet. Adel und Geistlichkeit hatten völlige Freiheit von den ge-
wöhnlichen Abgaben errungen, und die Städte sich bedeutende Gerecht-
same und Vortheile zu verschaffen gewußt. Der Landmann war in
Noth und Armuth und verließ oft sein ganzes Hab und Gut, weil
er sich selbst davon nicht mehr ernähren, geschweige denn noch hohe
Abgaben erschwingen konnte.
Der Churfücst Friedrich I. bezahlte daher mit 400,000 Dukaten
das Land theuer genug. Denn diese Summe trug zue damaligen
Zeit an 72,000 Thaler Zinsen, und so mußte Friedrich, wenn er die
Landeseinkünfte dagegen rechnete, noch eine große Summe für die
Ehre bezahlen, Churfürst von Brandenburg zu heißen.