1837 -
Leipzig
: Crayen
- Autor: Vormbaum, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Stadtschule, Landschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Die Mitbclehnung Brandenburg's über Preußen.
gen an, damit der Bürger fähig sek, den eigenen Herd ztt vertheidigen.
Den Handel belebte er durch den großen Schutz, welchen er ihm ge«
wahrte, und durch mancherlei Begünstigungen. Ackerbau, Viehzucht,
Gewerbe und Künste stiegen zu einer' hohen Stufe. Bei aller dieser
Sorge für die Landeswohlfahrt vergaß er es nicht, auf Gottesfurcht
und gute Sitten zu halten und selbst durch einen guten Wandel ein
nachahmungswürdiges Beispiel zu geben.
So nahm Preußen und der Orden an Ansehen, Macht und
Wohlstand, fast unglaublich zu. Ums Jahr 1400 waren im Lande
55 Städte, 48 Schlösser, 18,370 Dörfer, 640 Pfarrdörfer und
2000 Freihöfe. Die jährlichen baaren Einkünfte des Ordens betrugen
800,000 Gulden, in den Vocrathshausern lag eine unermeßliche Menge
Getreide; der Handel, die Gewerbe, der Ackerbau blüheten, sogar ein
guter Wein wurde gebaut. Die Pracht der Ritter war so sehr gestie-
gen, daß der Hochmeister ein Gesetz gab, nach welchem ein gewöhnli-
cher Ordensritter nicht über 10, ein höherer nicht über 100 Pferde
halten sollte. Wer hatte damals wohl gedacht, daß ungefähr 60 Jahr
spater der Glanz des Ordens dahin und das Land in namenloses
Elend gestürzt sei!
Der alte Heldengeist des Ordens wich mehr imd mehr, weil sich
die Ritter in Uebermuth dem Stolze, der Bequemlichkeit und der
Ueppigkeit Hingaben. Es wurde bei ihnen nicht mehr der Gemeinsinn
gefunden, durch welchen sie früher fast Wunder gethan hatten. Zwar
siegte das Ordensheer in dem langen Kriege gegen Polen und Lithauen
noch recht oft, erlitt aber auch nicht selten große Unfälle. Und so geschah
es, daß bald die Polen in Preußen eindrangen, um Verwüstungen und
Grausamkeiten auszuüben, bald die Ritter dem Feinde in seinem Lande
Gleiches mit Gleichem vergalten^ Es konnte nicht anders sein, als daß
der Wohlstand des sonst so blühwm Landes sank. Die Ausgaben
vermehrten, die Einnahmen verrinmten sich. Es mußten drückende
Abgaben ausgeschrieben werden, die Nahrungsquellen flössen geringer,
viele hörten gar auf. Im Lande entstand über dies Alles viel Miß-
vergnügen, und da schlechte und eigennützige Menschen das Volk glau-
den machten, der Hochmeister Heinrich von Plauen habe einzig und
allein an diesen Leiden Schuld, so entstanden zwei Partheien im Or-
den, von welchen die eine es mit dem Hochmeister hielt, die andere
gegen ihn war. Die Uneinigkeit wurde gar so groß, daß die Gegen-
parthei einen zweiten Hochmeister, Michel von Sternberg, wählte.
Dies war aber ein großes Uebel für den Ocdensstaat. Er zer-
fleischte sich^ nun selbst. Die Polen benutzten diese Lage der Dinge
und überwältigten die Ritter überall. Noch und Elend vermehrten
sich, und Preußen gerieth mehr und mehr in Verfall. Es sollte aber
noch schlimmer werden. Der Hochmeister Michel von Sternberg
hatte, um seinen Anhang zu vermehren, den Städten und dem Land-
adel eine Theilnahme an der Landesverwaltung gestattet. Diese Art
von Landstanden hatte anfangs nicht viel zu bedeuten gehabt; jetzt