1837 -
Leipzig
: Crayen
- Autor: Vormbaum, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Stadtschule, Landschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
203 Iii. Abschnitt. Die Könige von Preußen.
erfüllen! Vorwärts! Wir gehen über den Niemen." — Dem Uner-
sättlichen hätten nber die Wahrzeichen sagen sollen, daß es bald vom
Himmel ihm vorgeschrieben werde: „Bis hierher, und nicht weiter."
Denn als ec am Abend des Uebergangs längs des Niemenflusses auf
und abritt, um eine bequeme Furth zu suchen, stürzte sein Pferd un-
ter ihm nieder und warf ihn in den Sand. Und als atn folgenden
Tage die Armee den Fluß überschritt, entstand ein so grausendes Ge-
witter, als ob jetzt schon die erzürnte Natur die siegstrunkenen Schaa-
ren verschlingen wollte. Napoleon achtete aber nicht auf den Finger
Gottes, in seinem Wahne stellte der Ohnmächtige sich dem Allmäch-
tigen gleich. Es mußten schwere Schicksalsschläge den Stolzen em-
pfinden lassen, wie gar Nichts der Mensch gegen den König der
Könige ist, und ihn erst von seiner Höhe herunter schmettern, ehe er
zur Besinnung kam. Er mußte sein Schicksal erfüllen, zum warnen-
den Beispiel jedem wilden Eroberer, der Menschenrechte und Menschen-
wohl mit Füßen tritt. — In ganz anderm Sinne aber gedachte er
Rußland's Schicksal anzuordnen. Was aus diesem Reiche geworden
wäre, das hat er in seiner Brust verschlossen gehalten, aber es war
gewiß nichts Gutes. Der Schlag fiel jedoch aus ihn selbst zurück. -
Denn als er vorgedrungen war bis zur großen Hauptstadt Moskau,
ja diese Stadt selbst in Besitz genommen hatte, da sollte der Wende-
punkt seines Glücks eintreten. Der Allmächtige des Himmels wollte
zeigen, wessen dieser Ecdenmensch sei, der sich der Allmacht vermaß.
Nach Moskau! Nach Moskau! — das war bisher das Losungs-
wort der Franzosen gewesen, denn Napoleon hatte ihnen verheißen,
dort würden sie nach dem beschwerlichen Kriegszuge und grausenvollen
Schlachtgetümmel Ruhe und Erquickung erlangen. Der Eroberer
gedachte, in dieser alten Hauptstadt mit seinen Schaaren den Winter
über zu ruhen und sich gütlich zu thun, im folgenden Jahre aber
wieder aufzubrechen, um Petersburg und das russische Reich sich völlig
zu unterwerfen. Als er die glänzende Stadt von einem Hügel herab
zu seinen Füßen liegen sah, dg rief er froh: „Da ist sie denn end-
lich, diese hochberühmte Stadt, aber," setzte er hinzu, „es war auch
hohe Zeit." Und seine Krieger jubelten um ihn herum: Moskau!
Moskau! — als wenn nun alle Leiden überstanden wären. Aber
Todtenstille herrschte in dem Hausermeere der alten Hauptstadt, erstor-
den lag sie da. Dumpf und in sich gekehrt, zogen die Franzosen
durch die langen Straßen, nur Greise, nur verdächtiges Gesindel ließ
sich sehen. Napoleon nahm seinen Sitz in der Burg der alten Zare.
Bald darauf stieg hier eine Feuersäule auf, und dort eine, und auf
einer andern Seite wieder eine. Man achtete dieser Feuerzeichen nicht,
aber immer wurden ihrer mehrere, und immer größer das Flammen-
meer, und mehr und mehr erstickender der dicke, dunkele Rauch. Ein
heftiger Wind schürte das Feuer noch mehr an, die Flammen walzten
sich von Haus zu Haus. Napoleon schlief; endlich erweckte ihn die
Helle. Erschrocken sprang er auf, und mit Grauen rief er: „Entsetz-