1837 -
Leipzig
: Crayen
- Autor: Vormbaum, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Stadtschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Stadtschule, Landschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
212 Iii, Abschnitt. Die Könige von Preußen.
gen und seine Gesinnungen aussprechen. Um vorerst allen Schein
des Verdachts von sich zu entfernen und vor allen Dingen die arg-
wöhnischen Franzosen nicht zu den schrecklichsten Maßregeln zu reizen,
erklärte er Uork's Waffenstillstand für null und nichtig, nahm dem
Generale den Oberbefehl und that, als ob ihm die geschlossene Ueber-
cinkunft sehr unangenehm sei. Aber das treue Volk wußte wohl des
geliebten Herrschers Noch und ließ sich nicht irre machen; und Bork
legte das Kommando nicht nieder, „denn," sagte er, „ich habe keinen
Befehl vom Könige dazu erhalten, und Gerüchte kümmern mich
nicht." — Der Bote aber, der dem General York den königlichen
Befehl bringen sollte, war von den Kosacken aufgefangen und festge-
halten, und so hatte Bork wirklich keine Befehle erhalten. Da reifte
Friedrich Wilhelm plötzlich am 22. Januar von Potsdam ab und
eilte nach Breslau in Schlesien. Hier waren keine Franzosen, und
so konnte denn da der König einen freien Entschluß fassen. Es ge-
schah. „Das Vaterland ist in Gefahr! Es rüste sich die Jugend
meines Volks freiwillig zum Schutze desselben!" — so sprach der
König, wohl wissend, daß sein Volk solche Worte mit Freuden ver-
nehme. Denn Friedrich Wilhelm hatte die Stimmung seiner Unter-
thanen erkannt, und die Unterthanen erkannten den Sinn ihres
geliebten Herrschers. Zwar war noch nicht ausgesprochen, gegen wen
die Rüstung gerichtet sei, und wem der Kampf gelte, aber die Deu-
tung lag nicht fern, und die allgemeine Stimme zeigte nur einen
Punkt: Kampf gegen Frankreich. Dazu sammelten sich
um den König in Breslau Männer voll ^des glühendsten Franzosen-
hasses. So Blücher, der als Greis herbeieilte, damit er seine letzte
Kraft dem Könige und dem Vaterlande darbringe; Scharnhorst, Gnei-
senau, Knesebeck und viele andere wackere Kriegsleute, und Glieder
von den Landesbehörden und vom Bürgerstande, die alle von dem
Gedanken an das zu erringende Ziel begeistert waren. Dies Alles sah
man und wußte es zu deuten. Und nun geschah das fast Unglaub-
liche. Ein Geist, Ein Willen, Ein Rachetrieb schien das ganze Volk
ergriffen zu haben. Nur Eine Bereitwilligkeit, von Niemandem in
diesem Grade erlebt, beseelte Alt und Jung: Gut und Blut zu opfern
der Rettung aus der Knechtschaft. Schaaren von Jünglingen flogen
zu den Waffen, 10,000 Freiwillige allein aus der Stadt Berlin.
Schüler, kaum dem Knabenalter entwachsen, Studenten, Handwerker,
Gelehrte, Kaufleute, Familienväter, Staatsbeamten, Alles drängte sich
in die Reihen der Kämpfer. Da war von keinem Range, keinem
Stande mehr die Rede; Ein Zweck stand Allen vor Augen, und die-
ser Eine Zweck machte Alle gleich. Eine herrliche Begeisterung! Män-
ner, die nie daran gedacht hatten, die Waffe zu führen, ergriffen
dieselbe mit Freuden und übten sie, als ob das Kriegeshandwerk ewig
ihre Beschäftigung bleiben sollte. Weib und Kind, Hab und Gut
verließ man und wurde freudig gemeiner Krieger; selbst Jungfrauen
verkleideten sich als Männer und eilten zum Kampfe herbei. Wer es