1837 -
Oldenburg
: Schulze
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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Zweiter Zeitraum.
machen, zugleich auch durch Reichthum und Vasallenmacht in ihrer
Geltung, selbst ohne die frühere Bedeutung, fcstzuhalten. Die
Austrasier und Burgunder betrachteten gegenwärtig die Neustrier
schon wie ein fremdes Volk und ihre Haus-Aeltesten, weil aus
ihrer Mitte, als die Vertreter der eignen Interessen. Die drei
Königreiche waren demnach nur scheinbar noch unter Chlotars
Scepter vereinigt, weil in der öffentlichen Meinung und in
dem öffentlichen Streben durchaus getrennt. Der neustrische
König sah sich deshalb auch genöthigt, den Majordomen von
Austrasi'en und Burgund, hier dem Warnachar, dort dem Rado,
die Verwaltung zu übertragen, um nur den Schein zu retten.
Damit aber wurden diese beinahe unabhängig, wie Unterkönige
nicht einmal, sondern wie gleichstehende Bundesgenossen.
Chlotar war demnach in mißlichen, wenigstens sehr unan-
genehmen Verhältnissen, über welche sich ein anderer vielleicht
schwerer hatte hinwegsetzen mögen. Er aber ließ sich warnen
durch die Schwierigkeit des Augenblicks und zeigte sich als ein
Mann, der nur durch den Willen des Volkes König seyn
wollte. Zwei Reichstage, zu Paris (I. 615) und zu Basel
(I. 616), zeugen von der Macht der öffentlichen Meinung für
die ständische Gewalt, indem Chlotar daselbst nur wenig anders,
als mit der Bedeutung eines Fürsten aus früherer Zeit in der
Versammlung erschien. Und doch waren die Versammelten
nicht mehr das Volk, sondern die Vasallen, die Großen des
Reiches, welche'angeblich die Rechte der Nation, im Grunde
aber nur ihre eignen Vorthejle bestimmten und dem Könige
beinahe zur Vorschrift machten.
Mehr als dieses mochte den König die Allgewalt der bei-
den genannten Majordomen verdrießen und die augenblicklichen
Verhältnisse schienen einen Ausweg zu bieten, da er dann in
seinem Sohne Dagobert den Australiern wieder einen eignen
König setzte und ihm Pippin von Landen zum Vormunde gab
(I. 622). So schien es besser, da die Gewalt in der könig-
lichen Familie blieb und nicht an die ganz fremden Majordo-
men verloren ging. Aber auch diese Maßregel trug keine
Früchte. Austrasi'en wurde dadurch wie völlig geschieden von
dem gemeinsamen Mittelpunkte, zumal da hier durch Pippins
umsichtige Waltung und Arnulfs, des Bischofs von Metz, thä-
tige Beihülfe die Sachen viel besser von Statten gingen, als
im neustrischen Reiche selbst. Zur Sicherheit aber wurde
Burgund nach dem Tode Warnachar's mit Neustrien vereinigt
(I. 626).
Chlotar starb ein Jahr nachher und Dagobert ließ seinem
Bruder Charibert, der jenem folgen sollte, nur einen kleinen
Theil des väterlichen Erbes zukommen. Zn Paris schlug er
jetzt seinen Wohnsitz auf, lebte daselbst aber so zügellos, daß sich