1837 -
Oldenburg
: Schulze
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
J1s
Dritter Zeitraum.
Hatto, Erzbischof von Mainz, und der Herzog Otto von
Sachsen maßten sich eine vormundschaftliche Negierung an.
In den Verhältnissen des Reiches sah es mißlich aus Sie wa-
ren verwirrt durch einander geworfen. Jeder suchte seinen Ver-
theil, die Beamten, wie die größeren und kleineren Vasallen.
Das Lehenwesen war fast bis zu seiner höchsten Ausartung ge-
kommen. Die großen Herren — und außer diesen gab es
fast nur Leibeigne im Reiche — waren nur noch dem Scheine
nach in Abhängigkeit von der Krone. Sie selbst bestimmten
ihre Pflichten und Rechte eher, als der König. Karls des Gro-
ßen weise Verfassung war aus den Fugen gerathen und sogar
die herzogliche Würde wieder aufgekommen. Außerdem schützte
das gemeine Recht nicht vor Unbilden. Ungestraft konnte die
Raubsucht zugreifen und behalten, was nicht eine stärkere Hand
wieder zu entreißen im Stande war. Und die Zeit war ver-
wildert; denn die Bildungsanstalten Karls des Großen waren
ins Stocken geraten; das Volk war in Aberglauben und Roh-
heit versunken. Darum fand auch die Raubsucht in dem inneren
Gefühledes Rechten keine Hemmung mehr, dereinzelne mit seinen
Leuten zog aus gegen den Einzelnen zu Raub und Befehdung,
und der Uebermachtige kehrte mit der Beute heim Man
baute sich Schlösser und Festen zum Schutze gegen den in je-
dem Augenblicke zu befürchtenden Ueberfall eiyer Rotte oder
zum Sitze der Tyrannei und zum Schutze des Raubes. Die
Angelegenheiten des Reiches wurden nicht mehr gemeinsam
berathen, weil Jeder sich selbst half. Auf. den Reichstagen
war es leer, oder von selbstsüchtigen Menschen voll. Selbst
die Geistlichkeit verdarb, und die wenigen Guten konnten dem
Hebet nicht wehren. Roms Einfluß auf die weltlichen Ange-
legenheiten war durch die Entreißung Italiens, wo der Papst
im Drange der Umstande mit der eignen Noth vollauf zu thun
hatte, beinahe aus der Mode gekommen. Fast jegliches Uebel
war vorhanden oder auf dem Wege hereinzubrechen.
Selbst an auswärtigen Feinden fehlte es nur eine kurze Zeit.
Zwar hatten die Slaven, in viele kleine Herrschaften zerrissen,
an dem eignen Daseyn gegenwärtig genug zu tragen; aber
darum hörten doch die Kämpfe mit denselben nicht ganz auf.
Zudem begannen jetzt die Ungarn über die Grenzen hereinzu-
brechen, raubten plünderten, und verheerten, ohne sich zum offe-
nen Kampfe zu stellen, und der König hatte im Namen Aller
keinen Witten, keine Kraft, keine Hülfe für das Reich. Mehre
Jahre hindurch wiederholten die Ungarn ihre Naubzüge. durch
ganz Teutschland hin, wie in Baiern zunächst, so in Sachsen,
Thüringen, Franken und Schwaben. In Teutschland war
keine Einheit. Jeder wollte für sein Eigenthum stehen, das
er gegen so furchtbare Menschen nicht schützen konnte und