1837 -
Oldenburg
: Schulze
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Die Wiedertäufer. Katholischer Gegenbund. 335
Zunge bethörte bald die Mehrzahl der Bürger. Da wurde
dann der Stadtrath mit allen Bessergesinnten vertrieben und
eine Herrschaft nach dem Sinne der Bibel und den angeblich
göttlichen Erleuchtungen der Rädelsführer errichtet, Gleichheit
der Stände, Gemeinschaft der Güter und — auch der Weiber
eingeführt. Obenan stellte sich Johann von Leyden als König.
Mit grausamer Willkühr ergingen seine Befehle und Strafen,
welche sofort auf ven Tod lauteten, wenn Jemand an die
Göttlichkeit seiner Aussprüche zu zweifeln sich unterfing. Ei-
genhändig hieb er einem seiner Weiber den Kopf ab und
tanzte mit den andern um den blutigen Leichnam. Er, Krech-
ting sein Kanzler, Knipperdolling der Scharfrichter und Andere
in seiner Hofhaltung waren die wüthendsten Ungeheuer und
übten Schreckensthaten, vor denen jeder Widerspruch verstum-
men mußte. Münster war der Schauplatz unmenschlicher
Grausamkeiten und viehischer Schandthaten. Achtundzwanzig
Apostel wurden in die Welt geschickt, um das neue Himmel-
reich zu predigen und den Schneiderkönig in Aufnahme zu
bringen. Es ging ihnen jedoch gar übel; denn sie wurden bald
ergriffen und, außer zweien, sämmtlich hingcrichtet. — Acht-
zehn Monate dauerte dieser Gräuel. Da gelang es dem —
schon frühzeitig entwichenen — Fürstbischöfe, mit Hülfe der
drei nächsten Reichskreise, die Stadt auszuhungern und endlich
einzunehmen (I. 1535 24. Juu.). Rvthmann fand seinen
Tod in dem Gemetzel, die Andern wurden ergriffen und be-
straft, namentlich Johann von Leyden, Knipperdolling und
Krechting mit glühenden Zangen gezwickt, sodann mit glühen-
den Dolchen erstochen und ihre Leichname an der Spitze des
Lambertus-Thurmes in eisernen Käsigen aufgehangen (1.1536),
wo letztere noch jetzt zu sehen sind.
Diese Unruhen waren am Ende so bedeutend angesehen
worden, daß man von Reichs wegen Vorkehrungen zur Hülfe
des Fürstbischofs getroffen hatte. Eine lange nicht gesehene
Einigkeit zeigte sich bei der Gelegenheit unter den beratheiwen
Kreisvorständen, wozu auch Philipp von Hessen gehörte und
König Ferdinand sich gesellte. Auf einen dauernden Friedens-
stand im Reiche selbst hatte diese Sache indeß keinen weiteren
Einstuß. Die Entzweiung der Gemüther dauerte fort und
fand stets neue Nahrung. König Ferdinand wollte statt des
nunmehr aufgelöseten schwäbischen Bundes eine andere Schutz-
wehre des allgemeinen Landfriedens und somit des Reiches
selbst aufzubringen suchen, fand aber nur geringe Theilnahme
(I. 1536). Zugleich eiferte man katholischer Seits gegen die
ebenfalls nicht sanft ausgesprochene Forderung der Protestan-
ten, daß die neu Uebergetretenen nicht minder, als sie selbst,
in den Nürnberger Religionsfrieden mit cingeschlossen und