1837 -
Oldenburg
: Schulze
- Autor: Fortmann, Heinrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Westfälischer Friede. Teutschlands Zustand. 393
derte erbaut und geschaffen hatten. Selbst Geistliche, welche
trösten, Richter, welche schützen feilten, wurden hartherzig und
eigennützig, bis sich sogar die Obrigkeit ganz offen den Freveln
hingab.« So lauten die Klagen aus damaliger Zeit, und noch
ist damit keine erschöpfende Schilderung des Elends gegeben.
Ueberall sah man Brandstätten und Trümmer. Die Häuser
standen bei hunderten leer, ihre Eigenthümer waren gewürgt
oder davon gejagt, Zweidrittheile von Teutschlands Bewohnern
waren zu Grunde gegangen. Und wie war Alles dieses mög-
lich? Durch die damalige Kriegsweise, die keine Zucht und
keine Ordnung kannte. Die Mannschaft wurde meistens für hohen
Sold geworben, und die Länder mußten ihn aufbringen. Das
hielt aber die barbarischen Haufen nicht vom Rauben und Plün-
dern zurück. Wo sie kamen, griffen sie nach ihren Gelüsten zu,
weder Freund noch Feind wurde verschont; die Führer gingen
mit ihrem Beispiele voran, und wo das gerade nicht der Fall
war, konnten sie dem Nebel nicht steuern. Vollends arg trieben
sie sich in Feindes Lande umher, Frevel aller Art wurden verübt,
wilder Grausamkeit und schnöder Lust erlagen Tausende von Un-
glücklichen. — So hauseten die Schweden und alle, die vor
ihnen das Schwert führten, so nicht minder die Reichsheere,
und — dreißig Jahre lang!
Daher kam es, daß Teutschland am Ende dieses Zeitraums
in einem kläglichen Zustande war. Dürftigkeit und Armuth
schien das bleibende Loos der Nation geworden; denn jeder
Vorrath war verzehrt oder freventlich vergeudet und verschleu-
dert; die Quellen des neuen Wohlstandes dabei aber auf lange
Zeit verstopft. Handel und Gewerbe stockten, es fehlten die
Mittel und der Muth, sogar Menschen zur Arbeit und zum
betriebsamen Fleiße. Der freudige Aufschwung in den Künsten
und Wissenschaften, wie er vor und während des vorigen Zeit-
raums begonnen, war gehemmt und fast ein ganzes Jahrhun-
dert wieder zurückgeworfen. Unwissenheit, Aberglauben und
jegliche Verkehrtheit standen an deren Stelle. Sittlichkeit und
Tugend lagen unter den Freveln der dreißig Jahre begraben.
Alles war in seinen Grundfesten zerstört oder wenigstens erschüt-
tert. Ganz andere Wege und Richtungen des öffentlichen Le-
bens mußten eingeschlagen, fast jedes Verhältnis neu gestaltet
oder aus dem Verfalle aufgerichtet werden. Und die Menschen
widerstrebten sich selbst, weil aus ihren Fugen und Sphären
gerissen und durch Muthlosigkeit, Unmacht oder eigne Verkehrt-
heit auf dem heillösen Wege noch lange festgehalten. So war
es mit den Bürgern, die über den Brandstätten und in wüsten
Mauern verzweifelten und auf lange Zeit nur um das tägliche
Brod bemüht seyn mußten, sie, die frühere Blüthe unfers Va-
terlandes. So war es auch mit dem Ackersmanne; unter der