1869 -
Erfurt
: Körner
- Autor: Förster, Eduard
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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Iii. Blicke in die innern Zustände der christlichen Kirche
im 2. und 3. Jahrhundert.
1. Wie die Kirche verwaltet worden. In Jerusalem, von wo die
Predigt des Evangelii ausgegangen war, genossen die Apostel, so lange sie
lebten, vor allen andern Gläubigen das höchste Ansehen. Nicht nur, daß sie
ihren eigenen Gemeinden als Lehrer Vorständen, sondern sie wurden auch von
andern in zweifelhaften Fällen zu Rathe gezogen, uui) ihre Entscheidung ward
als giltig und bindend anerkannt. Dabei blieben sie aber Diener der Kirche
und herrschten nicht über sie. Ueberall, wo neue christliche Gemeinden gestiftet
worden waren, hatten die Apostel einen Rath der Aeltesten eingerichtet,
nach dem Vorbilde der jüdischen Gemeinden. Die Mitglieder desselben hießen
Aelteste (mit dem griechischen Namen Presbyter), obwohl es nicht
gerade immer die in den Jahren am weitesten vorgeschrittenen Glieder der
Gemeinde waren, oder Hirten, auch Bischöfe d. h. Aufseher. Die Ael-
testen waren nicht ausschließlich die Lehrer der Gemeinde. Mit Ausnahme
der Weiber lehrte ursprünglich Jeder, der vom Geiste die Gabe dazu empfangen
hatte; es gab im Anfänge keinen Unterschied zwischen Geistlichen (Clerus)
und Volk (Laien). Alle Christen waren Priester und konnten in den Ver-
sammlungen das Wort Gottes verkündigen und die Taufe vollziehen. Schon
frühzeitig hatten sich die Apostel Diakonen zugeordnet, welchen die Pflege
der Armen und Kranken, die Verwaltung der gemeinschaftlichen Güter und
andere Hilfsleistung übertragen war. Für das weibliche Geschlecht waren
Diakonissinnen berufen. Außerdem gab es noch Vorsteher; das waren
Gemeindeglieder, welche an den Berathungen der allgemeinen kirchlichen An-
gelegenheiten Theil nahmen, wie Ap.-Gesch. 15 erzählt wird.
Diejenigen, welche sich besonders zu Lehrern eigneten, erhielten je nach
der Art ihrer Wirksamkeit besondere Namen. Evangelisten nannte man
die, welche wie Paulus von Ort zu Ort zogen und predigten; Propheten
hießen solche, welche in der Schriftauslegung besonders geschickt waren;
Hirten waren solche Lehrer, welche einer Gemeinde bleibend gegeben
wurden. Später kam es zwischen Clerus und Laien ;u einer schärferen Unter-
scheidung. Die Bischöfe wurden die Häupter der Gemeinde, namentlich
gelangten die zu Antiochien, Rom, Alexandrien') und Karthago zu
großem Ansehen. Mit besonderer Verehrung betrachtete man den Bischof zu
Rom, weil Petrus und Paulus hier den Märtyrertod erduldet hatten und
von hier aus die Ausbreitung des Christenthums in das Abendland ge-
schehen war.
Die Kirchenzncht wurde noch im Sinne der Apostel geübt. Die von der
Gemeinde Ausgeschlossenen mußten öffentlich Kirchenbuße thun, wenn sie Ab-
solution erhalten wollten. Die Uebung christlicher Barmherzigkeit lag allen
Gemeinden noch immer sehr am Herzen. Gerieth eine benachbarte Gemeinde
in Noth, so sammelte man für sie eine besondere Collecte, wie es zuerst jn
Antiochien für die Brüder in Judäa geschah. So wurde des Apostels Wort
1j Alexandrien, feste Seestadt an der Mittelmeerküste Acgyprcn's, liegt am
nordwestlichen Rande des Nildclta.