1869 -
Erfurt
: Körner
- Autor: Förster, Eduard
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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der Krieg geführt. Zündeten die Deutschen ganze Dörfer an und warfen
Weiber und Kinder in die Flamme, so steckten die Hnssiten deutsche Gefangene
in ausgepichte Fässer und verbrannten sie.
Gleich im Anfänge des Krieges zerfielen die Hnssiten in zwei Parteien:
in eine gemäßigte fcalirtinerf von calix, d. i. Kelch) und eine heftige
(Taboriten), die sich zuletzt selbst anfeindeten. In äußerer Noth reichten sie
sich freilich zur Abwehr des Feindes die Hände. Das mußte das kaiserliche
Heer (1422) bei Deutschbrod*) erfahren, wo dasselbe völlig geschlagen
wurde, und Sigismund mit genauer Noth durch die Flucht entkam. Nach dem
Tode Ziska's (1424) führten Procopius der Große und Kleine den
Kampf weiter; die Uneinigkeit der Hnssiten wuchs. Man unterschied nun vier
Parteien (Prager, Taboriten. Horebiten und O-Ichchln_i,t.en oder
Waisen), unter denen die der Waisen (— so genannt, weil sie ihren Vater
Ziska verloren hatte —) die wildeste war. Der Krieg wälzte sich bald über
die Grenzen des Landes hinaus. Die Böhmen sahen sich für das ,, auser-
wählte Volk Gottes" an, das in „Kanaan" wohne und berufen sei, die
„Kananiter" zu vertilgen. 1431 errangen sie bei Riesenberg in Böhmen
abermals einen vollständigen Sieg über die Kaiserlichen. Unter Procop's des
Großen Führung brachen die erbitterten Horden durch die Lausitz in die Mark
ein und trugen Schrecken und Verwüstung in die Gegenden längs der Oder.
Berlin blieb von ihnen verschont; das Städtchen Bernaus hielt sich wacker
gegen den Feind, bis des Kurfürsten Sohn, Friedrich, es aus seiner gefahr-
vollen Lage rettete.
Endlich sah man ein, daß die Böhmen mit Waffengewalt nicht zu be-
kämpfen seien; aus dem Coneil zu Basel (1433) schritt man zu fried-
lichen Unterhandlungen. Die hussitische Gesandtschaft verließ zwar Basel, da
man die gestellten Forderungen nicht bewilligte, aber zu Prag einigte man
sich über folgende Punkte, die unter dem Namen der Basler oder Prager
Compactatzen bekannt sind: 1) Spendung des heiligen Abendmahls unter
beiderlei Gestalt; 2) die freie Predigt in der Landessprache; 3) strenge Kir-
chenzucht unter den Geistlichen; 4) Verzichtleistung der Geistlichen auf die
Kirchengüter. Weil die Taboriten und Orphaniten von diesen Festsetzungen
nichts wissen wollten, so traten ihnen die Calirtiner heftig entgegen und been-
digten durch die Schlacht bei Böhmischbrodd (1434), in welcher auch die
beiden Procope umkamen, den unseligen Streit. Als aber der Papst und der
Kaiser sich erst von dem schlimmsten Feinde befreit hatten, hielten sie auch den
Calirtinern die Versprechungen nicht. Mit List und Gewalt wurde die katho-
lische Lehre wieder in ganz Böhmen eingeführt, und die Calirtiner wie die
Taboriten wurden als Ketzer verfolgt. Ein kleiner Theil der Taboriten hielt
fest an Hussens Lehre und führte eine schöne einfache Kirchenordnung unter
sich ein. Das waren die böhmisch-mährischen Brüder, die sich trotz aller
Verfolgungen 300 Jahre lang erhielten. Im Vertrage zu J'glau^) (1436)
0 Deutschbrod liegt in Böhmen, südöstlich von Prag.
Bernau liegt nordöstlich von Berlin.
Böhmischbrod liegt in Böhmen östlich von Prag.
4) Iqlan, eine Stadt im Königreiche Mähren, liegt an der böhmischen Grenze
und der Jglawa.