1856 -
Moers
: Rhein. Schulbuchh.
- Autor: Kappe, Ernst
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 7
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
224 z. 75. Bewegungen und Entwickelungen in Deutschland.
lich beim orientalischen Kriege, wovon weiter unten näher die Rede sein wird,
hat ihm in Europa sehr genützt und die Freundschaft Englands vor und int
Kriege erworben, nach demselben wandte er sich aber auch Rußland wieder sehr
freundlich zu. Ueberhaupt sucht Napoleon sich unter den europäischen Fürsten
mehr und mehr zu befestigen und vorzudrängen. —
H. 73. Bewegungen und Entwickelungen in Deutschland
seit 1848.
Kaum war die Februar-Revolution in Paris ausgebrochen, als ganz
Deutschland in ungeheure Bewegung gerietst. Der glückliche Erfolg ermu-
thigte die Völker in ihrem Freiheitsstreben und entmuthigke die Fürsten in
ihrem Widerstande dagegen. Alle deutschen Regierungen wurden bestürmt
mit Petitionen, die mehr oder wenig dringlich angebracht wurden, und fast
alle desselben Inhalts waren: Preßfreiheit und Aushebung der Censur. freies
Vcreinsrecht, Geschwornengcrichte. Bürgerwehr, Gleichberechtigung aller Stände
und Coufessionen, Aufhebung der Steuerfreiheit des Adels und- der alten
Lasten und Verpflichiungen der Bauern der Gutsherrschaft gegenüber, frei-
gewählte Volksvertretungen, verantwortliche Minister, ein deutsches Parlament,
das waren im Wesentlichen die Forderungen in allen Petitionen In Baden,
Baiern, Hannover. Sachsen, Hessen, Nassau gaben die Fürsten niehr oder min-
der rasch und vollständig nach, wählten verantwortliche Minister aus der frei-
sinnigen Partei und begannen eine constitutionellc Regierung. Nicht so leicht
ging cs in Preußen und Oestreich.
Was König Friedrich Wilhelm Iv. von Preußen dem vereinigten
Landtage von 1847 bewilligt hatte, genügte jetzt nicht, und ans allen Thcilen
des Landes ward sein Thron mit Petitionen in oben bezeichnetem Sinne an-
gegangen. Endlich gab der König nach, und machte am l7. März die ge-
wünschten Zugeständnisse und Versprechungen, indem er zugleich ein anderes Mi-
nisterium ernannte und eine constitutionelle Verfassung verhieß Jubelnd
über das Errungene zog daö Volk vor's Schloß, aber da brachten plötzlich am
18. März zwei von unbekannter Hand fallende Flintenschüsse eine gräßliche
Aufregung in Berlin hervor; man schrie „Verrätst", und alsbald war die
Stadt verbarrikadirt, daö Volk unter Waffen. Ein blutiger Straßenkampf
wüthete die mondhelle Nacht vom 18 zum 19. März hindurch, bis endlich der
König auf vielfaches Bitten, um dem Blutvergießen ein Ende zu machen, das
Militär noch unbesiegt zurückzog. Nun folgte für ihn eine Kränkung und
Demüthignng nach der andern, es ward aber Straflosigkeit für alles Geschehene
erklärt. Der König versuchte es, in der Begeisterung sich an die Spitze
Deutschlands zu stellen, um Deutschland zu einigen, durch eine Proklamation
vom 21. März, der zufolge Preußen in Deutschland aufgehen sollte und der
König für sich und sein Heer die deutsche Cocardc. die bisher verpönte schwarz-
roth-goldene Fahne annahm, dieselbe auch selbst im Triumph durch die Straßen
der Stadt geleitete Um die gesetzliche Anknüpfung an das Bisherige bei dein
neuen Gang der Dinge nicht ganz fehlen zu lassen, trat im April der ver-
einigte Landtag nochmals auf kurze Zeit zusammen, und nahm ein von dem
neuen, aus der freisinnigen Partei genommenen Ministerium vorgelcgtcs Wahl-
gesetz an. auf Grund dessen im Mai nach allgemeinen Volkswahlen die
preußische N ati o n a l-D ersamm lung in Berlin zusammentrat. Diese Ver-
sammlung wußte sich aber in ihren Forderungen und iu ihrem Verhalten nicht
ju mäßigen, so daß ein Ministmum nach dem aridem ihr gegenüber abtreterr