1852 -
Leipzig
: Wigand
- Autor: Winderlich, Carl
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
Allgemeiner Ueberblick.
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von Heiligen und Legenden Aufforderungen zu grobsinnlichein Fetisch-
dienste (Bilderanbetung) und in dein Pompe der Geistlichkeit, welcher
zu der Unwissenheit der meisten einen grellen Contrast bildete, das Stre-
den hierarchischer Gelüste, mit schrecklichen unterirdischen Kerkern, Mar-
terkammern, Folterwerkzeugen einer sich bildenden Inquisition vereinigt,
ein himinelanschreicnder Beleg stupiden Glaubenseifers und fanatischer
Superstition; dort, auf hohen Felsen, starren uns die Ruinen der
Ritterburgen, die Stätten grobwilder Lust und schrecklicher Gewaltthat,
ein Spiegel der eisernen Faustrechtözeit, entgegen, und innerhalb dieser
Mauern sprechen die Verließe, die Ketten, Schwerter und Geräthschaften
roher Gewalt recht vernehmlich von den Thaten der Unholde, die einst
darin gehauset. Diese Bilder verlieren nur wenig von ihrer Schroffheit
durch einzelne Züge wahrer Frömmigkeit und Wohlthätigkeit in den
kirchlichen Gebäuden, oder durch das friedliche und segnende Walten
einzelner Frauen und Jungfrauen in den Burgen, nehmen vielmehr nur
eine weit grellere Färbung an, wenn man ihnen gegenüber den Zustand
der schutzlosen Masse des Volks, bald nur Haufe Leibeigener, darstellt.
Das Volk hatte nur das eine Recht, nämlich zu tragen, was Priester-
oder Adelsübermuth ihm aufbürdete. So ist der Maaßstab beschaffen,
der an das Mittelalter zu legen ist, und nicht, wie die poetisch geschil-
derte Minnezeit ihn darstellt, denn in den Burgen der edlen Minne-
sänger herrschte kein wesentlich anderes Treiben, als in den übrigen
adeligen Zwingmauern.
Zwei Verhältnisse sind cs vornehmlich, welche das Mittelalter
charakterisiren, das L eh en sw esen und die H i e r ar ch ie, und beide
haben ihre Lobredncr gefunden. Noch mehr, man hat selbst die Orda-
lien und die Jagdtyrannei vertheidigt. Solche Versuche des Scharf-
sinns mögen auf sich beruhen, sie können das Urtheil der Geschichte nicht
bestechen. „Es musste wohl eine böse Zeit sein, worin selbst der Aber-
glaube zur Wohlthat ward, Pfaffenmacht eine erwünschte Zuflucht blieb,
Ordalien die Nothhilfe gegen Stupidität oder Willkür der Richter waren,
Unwissenheit die Despotie minder eingreifend machte, Rohheit die Schutz-
wehr gegen Jinmoralität in der Politik und im Privatleben war, und
Stumpfheit die Noth und Bedrängniss minder empfinden ließ! Das
Hauptübel war, dass allenthalben das Volk die Freiheit verloren,
ja dass ein wahrer Rechtszustand durchaus fehlte. Viele Hebel
erscheinen darum beziehungsweise als Güter, weil sie jenes Hauptübel
verschleierten und milderten." Und dies ist das Einzige, was
sich als Vertheidigung für die ungeheuren Mängel des Mittelalters
sagen lässt, aber darum, dass die Hierarchie wie das Lehcnsweseit, jene
Schwerpunkte des damaligen Lebens, vergleichungsweise gegen die
übrigen Verhältnisse als Güter erscheinen, werden sie selbst nicht gut,
eben so, wie ein plump verzierter, schwerfälliger Pfeiler darum nicht
absolut schön ist, weil er zu dein ganzen übrigen Baue zupasst. Das
Winderlich, Weltgeschichte. an