1852 -
Leipzig
: Wigand
- Autor: Winderlich, Carl
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Zweiter Zeitraum. Iii. Abschnitt.
liegen, dass sich das Volk noch jetzt nicbt von seiner tiefen Erniedrigung
und seiner politischen Unmündigkeit zu erheben vermag.
Das Streben der französischen Könige ging daraus hinaus,
nach und nach das ganze Land, dessen Herzöge noch mächtiger und
trotziger, als selbst die deutschen Großen waren, zu Thronländern um-
zugeftalten. Die ersten Könige aus dem Hause Capet's waren von
ihren Vasallen vollkommen abhängig und hoben sich höchstens zum
i'rimus Ínter pares empor, ja so gering war des Königs Ansehen noch
zu Ludwig Vi. Zeit (1108 —1137), dass es der Graf Thibauld von
Chartres wagen durfte, seinen König und Lehnsherrn zum Zweikampfe
herauözufordern. Aber gerade unter diesem Könige wurde der erste
Grund zur wirklichen Souveränität der Könige gelegt. Während so
Frankreich immer mehr der Centralisation entgegen reifte, zerfiel Ita-
lien durch die Freiheitsliebe seiner Einwohner, nicht aber, wie in
Deutschland, durch den Egoismus der Großen, in viele kleine, meist
republikanische Staaten, unter dem Vortritte der sich ittächtig erhebenden
Städte. Spanien war ein der Freiheit günstiger Boden, denn einmal
hielten die beständigen Kämpfe für Glauben und Vaterland die Natio-
nalkraft in Spannung, zum andern wirkte die Theilung des Landes in
mehrere Reiche günstig für dieselbe. Allein es fehlten Garanticen für
die gemeine Freiheit, welche bald durch den Adel, bald durch das
Königthum unterdrückt werden mochte, und die frühe aufgekommene
Erblichkeit der Krone selbst auf die Weiber war eine gefährliche Klippe
für die Volksfreihcit. Zudem entstand hier in früher Zeit eine innige
Verbindung des Thrones mit dem Altare, jedoch erhielt letzterer erst in
dem folgenden Zeiträume die gesetzliche Reichsstandschaft. Uebrigens
spielte auch in Spanien der Adel die wichtigste Rolle. „Wir, die wir
so gut sind, als Ihr, machen Euch zu unserm Könige und Herrn unter
der Bedingung, dass Ihr unsere Rechte und Freiheiten beschützet, wo
nicht, keineswegs," — also lautete der Huldigungseid der arragonischen
Edlen. England hatte in seinem großen Könige Alfred den Be-
gründer der Freiheit gefunden, welche selbst nicht durch die harte dänische
Regierung unterdrückt zu werden vermochte. Größere Gefahr drohete
durch die plötzliche und gewaltthätige Einführung des Lehnssystcms
durch Wilhelm den Eroberer. Da aber erkannte das englische Volk die
Gefahr, die seiner alten Allodialfreiheit drohete, und gerüstet erwartete
cs den Augenblick zur Wiedererlangung seiner Freiheit, welcher mit
Heinrich's 1. Thronbesteigung und dessen Ausstellung des Freiheits-
gesetzes, cliarta libertatum, erschien. Später musste Johann ohne
Land die magna charta ertheilen und somit war des englischen Volkes
Freiheit für immer begründet. Ganz anders in Schottland. Hier
ward der Adel durch den König und das Volk durch den Adel gedrückt,
und so weit ging die Schmach, dass der Adel das jns primae noctis
über die unterthänigen Jungfrauen gesetzlich zugesprochen erhielt, und