1852 -
Leipzig
: Wigand
- Autor: Winderlich, Carl
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Zweiter Zeitraum. Iii. Abschnitt.
schutzlos war, bildete sich bei der Chevalerie der Grundsatz, dass der
Starke verpflichtet sei, den Schwachen zu schützen, und dass dem Tapfe-
ren Großmuth gezieme. Als Beschützer der Unschuld musste die Ehre
des Rüters höchstes Gut werden, eine Ehre, deren selbst Könige nur
durch den Ritterschlag theilhaftig wurden. Kinder und Greise, Frauen,
zumal Wittwen und Waisen, Geistliche und Wallfahrer, Kranke und
Gefangene und Andere haben Schutz gegen Gewaltthat gefunden, aber
wie viel des Guten auch durch das Ritterthum gewirkt wurde und wie
sehr auch die Religion die Hauptverpflichtungen desselben lauterte und
heiligte, oder die. oft bis zur Abenteuerlichkeit gesteigerte Galanterie
gegen die Damen anfeuerte, das Grundübel der damaligen Zeit wurde
nicht geheilt. Dennoch hat es unendlich wohlthätig gewirkt und noch
jetzt, nachdem es längst dem veränderten Geist der Zeiten gewichen, sind
seine Folgen sichtbar, z. B. in der Heilighaltung des Ehrenwortes, in
mancher Verfeinerung des geselligen Tones, in mancher Delikatesse in
der Freundschaft und Liebe.
Jenes eben angedeutete Grundübel war die Lehnsverfassung
oder das Feudalwesen. Als nämlich die Germanen auf Eroberungen
auszogen und große monarchische Reiche bildeten, gab der König Stücke
seines persönlichen Beutetheiles an Land seinen ihm am nächsten stehen-
den Dienstmannen als Lehen, uin sic dadurch enger an ihn und den
Thron zu knüpfen, während andere ihre kleineren Loose als freies Allod
behielten. Jene Lehnsträger suchten nun einerseits ihre Lehen erblich
zu machen, andererseits Stücke ihres Lehns an Andere zu vergeben, um
auch ihrerseits sich ein Gefolge von (After-) Vasallen zu bilden, endlich
drittens die kleineren Allodbesitzer in ihren Lehnsverband zu ziehen, um
dadurch ihren Besitz zu vergrößern. Gleiches fand auch nach der Con-
solidirung der Monarchie im Frankcnreiche und in deii aus demselben
hervorgegangenen Reichen Statt. Aber nicht nur die weltlichen Land-
besitzer, sondern auch die geistlichen, Bischöfe und Aebte, suchten durch
Heranziehung von Rittern als Lehnsträger theils Schutz gegen Gewalt-
that, theils Vergrößerung des Gebietes. So kam es, dass der gemein-
freie Allodbesttzerstand fast ganz zu Grunde ging und fast Jedermann in
irgend ein Hörigkeitsverhältniss sich fügen musste. Dadurch wuchs
natürlich das Ansehen der großen Lehnsbesitzer so, dass sie lieh den
Königen als Gleiche gegenüberstellen konnten, während die Masse des
Volks fast zur Leibeigenschaft herabsank. Solches wäre bei strenger
Durchführung der Allodialverfassung nimmer geschehen, denn das Princip
dieser ist die Freiheit, jener die Knechtschaft; diese erkennt Bürgerpflich-
ten und Bürgerrechte an, jene weiß blos von persönlicher Verpflichtung;
in dieser bilden alle Einzelnen eine vereinigte Nation, in jener begründet
sich die Zerreißung des Nationalverbandes in so viele kleinere zusammen-
gewürfelte Menschenhaufen, als es Kronvasallen giebt, deren After-
vasallen ihrerseits die Zerstückelung bis zur Winzigkeit fortsetzen. Stirbt