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1. Lehrbuch der Weltgeschichte - S. 332

1852 - Leipzig : Wigand
332 Zweiter Zeitraum. Iii. Abschnitt. schutzlos war, bildete sich bei der Chevalerie der Grundsatz, dass der Starke verpflichtet sei, den Schwachen zu schützen, und dass dem Tapfe- ren Großmuth gezieme. Als Beschützer der Unschuld musste die Ehre des Rüters höchstes Gut werden, eine Ehre, deren selbst Könige nur durch den Ritterschlag theilhaftig wurden. Kinder und Greise, Frauen, zumal Wittwen und Waisen, Geistliche und Wallfahrer, Kranke und Gefangene und Andere haben Schutz gegen Gewaltthat gefunden, aber wie viel des Guten auch durch das Ritterthum gewirkt wurde und wie sehr auch die Religion die Hauptverpflichtungen desselben lauterte und heiligte, oder die. oft bis zur Abenteuerlichkeit gesteigerte Galanterie gegen die Damen anfeuerte, das Grundübel der damaligen Zeit wurde nicht geheilt. Dennoch hat es unendlich wohlthätig gewirkt und noch jetzt, nachdem es längst dem veränderten Geist der Zeiten gewichen, sind seine Folgen sichtbar, z. B. in der Heilighaltung des Ehrenwortes, in mancher Verfeinerung des geselligen Tones, in mancher Delikatesse in der Freundschaft und Liebe. Jenes eben angedeutete Grundübel war die Lehnsverfassung oder das Feudalwesen. Als nämlich die Germanen auf Eroberungen auszogen und große monarchische Reiche bildeten, gab der König Stücke seines persönlichen Beutetheiles an Land seinen ihm am nächsten stehen- den Dienstmannen als Lehen, uin sic dadurch enger an ihn und den Thron zu knüpfen, während andere ihre kleineren Loose als freies Allod behielten. Jene Lehnsträger suchten nun einerseits ihre Lehen erblich zu machen, andererseits Stücke ihres Lehns an Andere zu vergeben, um auch ihrerseits sich ein Gefolge von (After-) Vasallen zu bilden, endlich drittens die kleineren Allodbesitzer in ihren Lehnsverband zu ziehen, um dadurch ihren Besitz zu vergrößern. Gleiches fand auch nach der Con- solidirung der Monarchie im Frankcnreiche und in deii aus demselben hervorgegangenen Reichen Statt. Aber nicht nur die weltlichen Land- besitzer, sondern auch die geistlichen, Bischöfe und Aebte, suchten durch Heranziehung von Rittern als Lehnsträger theils Schutz gegen Gewalt- that, theils Vergrößerung des Gebietes. So kam es, dass der gemein- freie Allodbesttzerstand fast ganz zu Grunde ging und fast Jedermann in irgend ein Hörigkeitsverhältniss sich fügen musste. Dadurch wuchs natürlich das Ansehen der großen Lehnsbesitzer so, dass sie lieh den Königen als Gleiche gegenüberstellen konnten, während die Masse des Volks fast zur Leibeigenschaft herabsank. Solches wäre bei strenger Durchführung der Allodialverfassung nimmer geschehen, denn das Princip dieser ist die Freiheit, jener die Knechtschaft; diese erkennt Bürgerpflich- ten und Bürgerrechte an, jene weiß blos von persönlicher Verpflichtung; in dieser bilden alle Einzelnen eine vereinigte Nation, in jener begründet sich die Zerreißung des Nationalverbandes in so viele kleinere zusammen- gewürfelte Menschenhaufen, als es Kronvasallen giebt, deren After- vasallen ihrerseits die Zerstückelung bis zur Winzigkeit fortsetzen. Stirbt
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