1858 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule, Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Bürgerschule, Höhere Realschule, Gymnasium, Privatanstalt, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Das Mittelalter.
Städtc-
rvesen.
Minoriten verbreitete sich schnell über alle Länder. Gleichzeitig mit den Fran-
ziscanern, die sich mit der Zeit in mehrere Zweige theilten, entstand der von einem
vornehmen gebildeten Spanier (Dominicas) gestiftete Orden der Domini-
can er oder Predigermönche, Deren nächstes Ziel die Reinerhaltung des herr-
schenden Glaubens und die Vertilgung aller ketzerischen Ansichten waren. Die Be-
kehrung der Albigenser (§. 228. 4), unter denen der Stifter lange verweilte,
war die nächste Aufgabe des Ordens, dessen Glieder gleichfalls das Gelübde gänzli-
cher Armuth ablegtcn und durch Entbehrung und strenge Andachtsübungen den
Himmel zu erwerben trachteten. Darum wurden ihnen auch die Inquisitions-
Gerichte mit ihren schrecklichen Verhören, Kerkern und Strafen übertragen. Die
Strenge, womit Konrad von Marburg und seine Genossen dieses Richtcramt
in Hessen und Thüringen ausübten, erregte den Groll des Volkes in solchem Grade,
daß es den Ketzerrichtcr erschlug und der Glaubensverfolgung, deren Andenken sich
noch bis zur Stunde in dem „Ketzerbach" bei Marburg erhalten hat, ein Ende machte.
Die Bettel-Orden waren die mächtigste Stütze des Papstthums, von dem sie daher
auch mit den größten Vorrechten begabt und der Gerichtsbarkeit der Landesbischöfe
entzogen wurden. Die Minoriten besaßen das Herz des Volks, an dessen Leiden
und Freuden sie Theil nahmen und wirkten daher hauptsächlich als Seelsorger;
die Dominicaner widmeten sich den Wissenschaften, füllten allmählich die Lehr-
stühle auf den Universitäten und zählten die größten Kirchenlehrer unter ihren Mit-
gliedern.
§. 246. 3) Dem Nähr st ande gehörten die Land- und Städtebewohner
an, die den Geschäften des Friedens oblagen. Anfangs begriff man, wenigstens in
Deutschland, unter dem Nährstand ausschließlich den Bauernstand, der größ-
tentheils unfrei am öffentlichen Leben keinen Theil hatte. (In den Ländern, die
früher Bestandtheile des römischen Reichs waren, haben die Römerstädte sich erhal-
ten und fortentwickelt.) Als aber durch die Bemühungen der sächsischen und
hohenstaufischcn Kaiser die Zahl der Städte zunahm und sich viele Landbewoh-
ner in denselben ansiedelten, spaltete sich der dritte Stand in Bürger und
Bauern und erwarb sich allerlei Rechte und Freiheiten. Die deutschen Städte zer-
fielen in Reichsstädte, die unmittelbar unter dem Kaiser standen und bei den
Reichstagen vertreten waren, und in L a n d st ä d t e, die zu dem Gebiete eines
Landesfürsten oder Bischofs gehörten. Jene waren sowohl die ältesten als die reich-
sten und mächtigsten, und in ihnen bildete sich das mittelalterliche Städtewesen
aus. Mit der Zeit erhielten die Stadtgemeinden durch Schenkungen, Kauf oder
Vertrag (Handfesten) gewisse Hoheitsrechte z. V. städtische Gerichtsbarkeit, Münz-
recht, Markt-, Zoll-, Stapelrecht u. dergl. Die Einwohner der deutschen Reichs-
städte, besonders im Süden, bestanden ursprünglich, wie im alten Rom, aus freien
Patriziergeschlechtern und aus zinspflichtigen hörigen Gewerbs-
und Ackers leu ten, die als Hintersassen oder Schutzbürger keinen Antheil an den
bürgerlichen Rechten besaßen. Aus jenen wurde der Sch öffenrath gewählt. Mit
der Zeit bekämpften die untern Bürger die Herrschaft der Patrizierfamilien.
Zu dem Zweck trat der Handwerkerstand in Zünfte und Innungen zu-
sammen , wodurch ein Gemeingeist geweckt und eine Erstarkung des untern Bürger-
standes bewirkt wurde. Balv erlangten die Handwerkerzünfte, deren Kraft in
den derben Fäusten der „Gesellen" bestand, solche Macht, daß sie sich nicht nur al-
lenthalben bürgerliche Rechte und Antheil an der städtischen Verwaltung erkämpften,
sondern daß in sehr vielen Städten das aristokratische Geschlechterregiment durch
eine demokratische Zunftregierung verdrängt wurde. Die Zünfte zogen unter
der Leitung ihrer Zunftmeister mit eigenen Fahnen ins Feld und schützten die
Freiheit nach Außen, wie sie dieselbe im Innern zu erringen und zu behaupten ge-