1858 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule, Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Bürgerschule, Höhere Realschule, Gymnasium, Privatanstalt, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die neue Zeit.
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Glück verlebten Jugend eine liebenswürdige, heitere Natur und einen lebens-
frohen Sinn, aber auch Hang zur Sinnlichkeit und leichtfertige Sitten auf den
schottischen Thron mit, und während die englische Königin aufs Innigste mit
dem Protestantismus verflochten und ihrvolk zu Einer Kirche mit ihr vereinigt
war, hielt Maria fest an der katholischen Religion und am Papstthum inmitten
eines rohen Volkes, das eigenmächtig die Pres byterianische Kirche zur
Landeskirche erhoben, und die Messe als Götzendienst verabscheute. Man legte
Hand an ihre Hauskapelle, und der strenge Reformator K n or richtete aus der
Kanzel und im Palaste Strafreden wider sie, wie einst die Propheten wider die
abgöttischen Könige in Israel.
1365. §. 367. Maria vermählte sich in zweiter Ehe mit einem in England er-
zogenen schottischen Edelmann Darnley. Die Ehe fiel aber unglücklich aus.
Der eitle, unbesonnene, von falschen Freunden übel berathene Gatte fand nur
Vergnügen an Jagd und Gelagen und zürnte dann der Königin, daß sie ihn
zurücksetzte und ihr Vertrauen dem Sänger Rizio aus Turin, der ihre Cor-
respondenz mit den Guisen und dem Papst führte, zuwandte. Angetrieben von
Eise^ucht und verletztem Ehrgefühl und aufgereizt von Uebelwollenden bildete
Darnley mit einigen Edelleuten eine Verschwörung — und Maria's Günstling
fiel vor den Augen seiner Gebieterin in ihren eigenen Gemächern, von vielen
1566. Dolchstichen durchbohrt, entseelt nieder. Diese entsetzliche That erfüllte das
Herz der Königin mit bitterm Groll gegen ihren Gemahl, von dessen Mitschuld
sie trotz seines Läugnens überzeugt war. Sie entfernte sich immer mehr von
ihm, ging mit dem Gedanken einer Scheidung um, und wandte ihre Gunst
dem Grasen Bothwell, einem schottischen Edelmann, zu. Erst als Darnley
von einer Krankheit befallen wurde, schien sich ihr Groll zu legen. Sie pflegte
seiner mit großer Sorgfalt in einem abgelegenen Gartenhaus. Aber in einer
Rächt, wo Maria abwesend war, wurden die Bewohner Edinburgs durch ein
entsetzliches Getöse erweckt. Man fand das nahe Landhaus des Königs in die
Lust gesprengt und Darnley's Leichnam erstickt. Die öffentliche Stimme be-
zeichnet Bothwell als den Thäter und diesen sah man drei Monate nachher
als Maria's Gemahl. War es zu verwundern, daß man sie der Mitschuld an
derfrevelthat anklagte? Empört über die verbrecherische Ehe griff der schottische
Adel zum Schwert. Bothwell floh vor der Schlacht, führte ein Freibeuterleben
auf den Hebriden, wurde aber von den Dänen gefangen und endete im Kerker
als Wahnsinniger. Maria wurde mit Triumphe unter den Verwünschungen
des Volks nach Edinburg geführt und dann in das einsame Jnselschloß Loch-
levin eingeschlossen, wo sie der Krone entsagen und ihrem Halbbruder Mur-
ray während der Minderjährigkeit ihres Sohnes Jakob die Regentschaft über-
tragen mußte. Zwar entkam Maria, widerrief ihre Thronentsagung und fand
Hülfe bei der mächtigen Familie Hamilton, aber in einer Schlacht besiegt,
1568. wäre sie zum zweitenmal in die Hände ihrer Feinde gerathen, hätte sie sich nicht
in größter Eile nach England geflüchtet, um Elisabeth's Schutz anzuflehen.
§. 368. Die englische Königin lehnte jede Zusammenkunft mit Maria ab,
so lange sich diese nicht von aller Mitschuld an dem Gattenmorde gereinigt
hätte; und da Maria als unabhängigekönigin sich einem englischen Gerichts-
höfe nicht unterwerfen wollte, so hielt man es für nothwendig, sie in England
zurückzithalten. Aber ihre Gegenwart bedrohte bald Elisabetbs Sicherheit.
Der Herzog von Norfolk trachtete nach Mariens Hand, verlor jedoch darüber
zuerst seine Freiheit und dann das Leben. In den nördlichen Landschaften zählte
die alte Kirche noch viele Anhänger; die Grafen von N or th u m berland
und Westmoreland erhoben die Fahne der Empörung, um Maria zu be-