1858 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule, Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Bürgerschule, Höhere Realschule, Gymnasium, Privatanstalt, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Die neue Zeit.
wenige Tausend Gulden herabgesunken. Gegen vierthalbhundert erbliche oder
gewählte Fürsten und republikanische Gemeinwesen mit der verschiedensten
Macht und dem ungleichsten Länderbesitz herrschten mit vollkommenen Hoheits-
rechten in Deutschland und ließen dem gemeinsamen Oberhaupte nichts übrig,
als die Bestätigung gegenseitiger Verträge, Standeserhöhungen,' Volljährig-
keitserklärungen unv Rangbestimmungen. Bei Kriegen standen deutschefürsten
nicht selten auf feindlicher Seite, wie denn Bayern stets mit Frankreich im
Bunde war. — Der Reichstag, der schon seit längerer Zeit seinen Sitz in
Regenöburg hatte und auö Abgesandten der Fürsten unv Reichsstädte be-
stand, hatte alles Ansehen verloren, indem er vor Reden und Unterhandlungen
selten zu einem Beschluß kam, oder, wenn er dazu kam, demselben keinen Nach-
druck zu geben vermochte. Mit kleinlicher Eifersucht verfocht man veraltete
Rechte, wachte mit der größten Sorgfalt über Rang, Titel und Slimmberech-
tigung und widmete zwecklosen Confesfionsstreitigkeiten alle Zeit und Thätig-
keit, während fremde Völker Deutschland zum Schauplatz ihrer Kriege machten
und den ohnmächtigen Staatskörper mit Uebermuth und Verachtung behandel-
ten. — Nicht minder traurig stand es um das Gerichtswesen. Das Reichs-
kammergericht in Wetzlar, vor welchem die Klagen der Reichsstände unter
einander oder mit ihren Unterthanen zur Untersuchung kamen, verfuhr mit sol-
cher Bedächtigkeit und Weitschweifigkeit, daß die Prozesse viele Jahre anhängig
waren, ehe es zum Spruch kam, daß die klagenden Parteien oft darüber starben
oder verarmten und daß die Gerichtsakten sich ins Unermeßliche anhäuften.
Dabei sahen sich die Richter hinsichtlich ihrer Besoldung größtentheils auf die
, . , Sporteln angewiesen, wodurch der Bestechung Tbür undthor geöffnet war.
^176^—' Ein Versuch Kaiser Josephs H., den Rechtsgang beim Reichskammergericht
179°* zu verbessern und zu beschleunigen, scheiterte an dem Eigennutz derbetheiligten.
Was aber die niedere Gerichtsbarkeit angeht,so war es bei der großen
Verschiedenheit der Landesgesetze, bei der Menge kleiner Staaten und bei der
unbegrenzten Herrschaft der Beamten und Richter für den geringen Mann sehr-
schwer, sich Recht zu verschaffen. Der Schwache war schutzlos jeder Ungerech-
tigkeit und Bedrückung des Klugen und Starken preisgegeben. Juristen und
Advokaten hatten ihr goldenes Zeitalter.
§. 447. Während das deutsche Reich mehr und mehr herabsank, stieg
Preußen unter seinem einsichtsvollen und kräftigen König zu immer größerer
Macht und Wohlfahrt. Die Wunden, die der siebenjährige Krieg geschlagen,
suchte Friedrich nach Kräften zu heilen, indem er die herabgekommenen Guts-
besitzer und Fabrikanten in Schlesien und der Mark mit Geld unterstützte, ihnen
auf etliche Jahre die Steuern erließ und das Loos der Bauern erleichterte. Er
beförderte Ackerbau, Forsteultur und Bergbau, legte in den unbebauten Gegen-
den seines Reichs Kolonien an und ließ der Betriebsamkeit, den Gewerben und
dem Handel die größte Pflege angedeihen. Dadurch kam Wohlstand ins Land
und er konnte seine Einkünfte erhöhen, ohne das Volk zu drücken. Eigene
Sparsamkeit, Einfachheit der Hofhaltung und ein gut geordneter Staatshaus-
halt bewirkten, daß die öffentlichen Kassen sich mit jedem Jahr mehr füllten.
Erst in späterer Zeit schritt er zu lästigen und harten Maaßregeln. Dahin ge-
hörte vor Allem die Zoll - und Aceise- Verwaltung. Er machte nämlich
den Verkauf von Kaffee, Tabak, Salz u. a. zu einem königlichen Vorrecht
(Regie) und verbot jeden freien Handel mit diesen Waaren. Und um den
Schleichhandel zu verhindern, stellte er eine Menge französischer Zoll-
beamten an, die durch ihren Uebermuth die ohnehin für den Bürger und
Bauer so drückende Einrichtung im höchsten Grad verhaßt machten. — Am