1858 -
Leipzig
: Engelmann
- Autor: Weber, Georg
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 5
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule, Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Bürgerschule, Höhere Realschule, Gymnasium, Privatanstalt, Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Neueste Geschichte.
ten über Volksfreiheit, Menschenrechte, Gleichheit aller Stände, und die ver-
sammelten Schaaren zur Erkämpfung derselben angefeuert. Unter diesen Volks-
rednern ragte besonders der begabte, für Freiheit schwärmende Advokat Camille
Desmoulins hervor. Das in der Hauptstadt anwesende Militär wurde in die
Begeisterung für Freiheit hineingerissen und trat zum Theil in die neuerrichtete
Bürgerwehr (Nationalgarde); die Gemeindeverwaltung wurde einer de-
mokratischen Munieip alilät übertragen, an deren Spitze Bailly als
Maire (Bürgermeister) stand. Besorgt über die zunehmende Gährung be-
schloß der Hof zu seiner Sicherheit einige Regimenter deutscher und schweizeri-
scher Truppen nach Versailles zu ziehen. In diesem Vorhaben glaubten die
Leiter der Bewegung den Plan eines Gewaltstreichs zu erkennen und benutzten
ihn daher als Mittel zu neuen Aufreizungen. Da verbreitete sich die Nachricht
in Paris, Necker sei plötzlich entlassen und des Landes verwiesen worden und
ein Günstling der Königin an seine Stelle getreten. Dies wurde als erster
Schritt des beabsichtigten Gewaltstreiches gedeutet und gab das Zeichen zu ei-
ner allgemeinen Erhebung. Schaaren rohen Gesindels zogen lärmend durch
die Straßen, mit der neuerfundenen National-Kokarde (blau, weiß,roth)
geschmückt; die Sturmglocken wurden geläutet, die Werkstätten der Waffen-
schmiede geplündert; Tumult und Verwirrung herrschte überall. Am 14. Juli,
nachdem das Volk aus dem Jnvalidenhaus 30,000 Gewehre und etliche Ka-
ll3llil nonenweggenommen, erfolgte dieerstürmung derbaftille, einer altenburg,
die als Staatsgefängniß diente. Der Befehlshaber Delaunay und sieben
Mann der Besatzung fielen als Opfer der Volkswuth; ihre Köpfe wurden
auf Stangen durch die Straßen der Stadt getragen; mehrere als Aristokraten
gehaßte Männer wurden ermordet. Der verbannte Necker ward zurückgerufen,
sein Einzug in die Städte und Dörfer Frankreichs glich dem Triumphzng eines
sieggekrönten Helden. In dem freudigen Empfang des Ministers gab das Volk
seine Begeisterung für die Freiheit und seinen Haß gegen Hof und Aristokraten
kund. Lafayette, der Kämpfer für Amerika's Freiheit, wurde zum Anführer
der Nationalgarde ernannt, und während der König nach Paris reis'te und
sich auf dem Söller des Rathhauses mit der Kokarde am Hute dem versammel-
ten Volke zeigte, verließen der Gras von Artois und mehrere Edelleute
ersten Ranges, wie Conde, Po lignac, ihr Vaterland, im bangen Vorge-
fühl der kommenden Dinge.
§. 477. Die neue Ordnung. Seit dem Bastillensturm waren Gesetze
und Obrigkeit ohne Ansehen in Frankreich, und die Macht lag in den Händen
der Masse. Das Landvolk entrichtete nicht länger die der Kirche und dem Adel
schuldigen Zehnten, Abgaben und Feudallasten, und rächte sich für den lange
erduldeten Druck durch Verwüstung der grundherrlichen Schlösser mit Sengen
und Brennen. Als sich die Kunde von diesen Vorgängen verbreitete, wurde in
der Nationalversammlung der Antrag gestellt, die bevorzugten Stände sollten
dem Volke durch die That beweisen, daß man seine Lasten erleichtern wolle und
zudem Ende aus eigenem Antrieb allen ans dem Mitteln lter stammen-
den Feuda l'rechten entsagen. Dieser Vorschlag erregte einen Sturm von
Begeisterung und Selbstentsagung. Niemand wollte Zurückbleiben. Stände,
Städte, Landschaften wetteiferten um die Ehre, die größten Opfer dem Ge-
meinwohl zu bringen. Dies war der berühmte vierte August, wo in einer
.August.einzigen fieberhaft aufgeregten Sitzung alle Zehnten, Frohndienste,
g rund herrliche Rechte, Zünfte u. dergl. m. abgeschafft, der Boden für
srei erklärt und die Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und bei
der Besteuerung ausgesprochen wurde. Diese Beschlüsse und die zu ihrer Ver-