1867 -
Berlin
: Vahlen
- Autor: Müller, David
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Unterrichtsanstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
16 Götterglauben der alten Germanen. § 17 —18.
unholden Riesen, den alten Herren der Erde, den Feinden der Götter und
Menschen.
§ 18. Das sind die einfachen Grundzüge der deutschen Naturreligion.
Majestälischer, gleichsam in ein Heldenlied verwandelt, erscheint dieselbe bei
unseren nordischen Stammesbrüdern in Skandinavien. Hier hielt das Heiden-
thum sich Jahrhunderte länger als bei uns, und ward durch das Lied der
Sänger, der Skalden, immer nur herrlicher ausgebildet. Gedichte dieser Art
sind die Edden, im 12. und 13. Jahrhundert n. Ehr. gesammelt, die aber
zum Theil schon im 7. und 8. entstanden sein mögen. Da thront Odhin —
Wuotan — auf dem Hochsitz in Walhalla, im Goldhelm und Goldharnisch;
auf seinen Schultern sitzen die Raben Hugin und Munin (Gedanke und Er-
innerung), zu seinen Füßen lagern zwei Wölfe. So lenkt er von oben her die
Welt und läßt durch die Schlachtenjungfraucn, die Walkyren, die aus der
Wahlstatt gefallenen Helden zu den ewigen Göttersitzen empoitragen. Da wer-
den die Kämpfe Thors — Donars — gegen die Riesen verherrlicht. Da ist,
anstatt der deutschen Holda oder Bertha, Odhins Gemahlin Frigg und neben
ihr Frija oder Freia, die Göttin der Liebe und Schönheit, die aus dem mit
Katzen bespannten Wagen einherfährt. Ihr Bruder ist Freyr, der gabenmilde,
strahlende Sonnen- und Frühlingsgott, der aus dem goldborstigen Eber reitet,
der Gott der Liebe und Ehe, des Friedens und der Freude, dem die Julzeit,
die Wintersonnenwende, geheiligt ist, und von dessen Verehrung vielfache Spuren
sich auch in Deutschland finden. — Tiefsinnig deutet dann dieser Götterglaube
schon auf seinen eignen Fall. Das ganze Gebäude der Welt wird nemlich ver-
sinnlicht in einer Riesenesche, Lfggdrasil, welche durch die Reiche der Welt
hindurch ragt, unter denen Asenheim, wo die Götter, Mannheim, wo die
Menschen, und Naunheim, wo die Riesen wohnen, die wichtigsten sind. An
Urd's Brunnen, der an Nggdrasils Wurzeln quillt, sitzen die Nornen, die
Schicksalsschwestern. Aber Hirsche fressen von den Knospen des Baums, ein
Drache nagt unter seinen Wurzeln; die Midgardsschlange umwindet im
Meer die ganze Erde, selbst Sonne und Mond werden von Wölfen, die sie zu
verschlingen drohen, durch den Himmel gejagt. Auch in die Götterwelt ist
bereits Tod und Schuld gedrungen. Der schönste und reinste der Götter,
Baldur (Freyr?) ist durch des schlimmen Loki's Arglist getödtet. Loki selbst
ist vom alten Riesengeschlecht; Hel, die Midgardsschlange und der Fenris-
wolf sind seine Kinder. Vor allem der Fenriswolf bedroht die Götter und die
Welt. Noch zwar liegt er im Eisenwalde am Zauberbande gefesselt. Aber in
seinen aufgesperrten Rachen träuft das auf Erden frevelhaft vergossene Ver-
wandtenblut und stärkt ihn; einst wird er sich loßreißen, und dann kommt die
Götterdämmerung, das Weltende. Surtur stürmt an der Spitze von
Muspelheims Söhnen — den Feuergeistern — über die Brücke Bisrost zum
Sturm aus Asenheim; die Midgardsschlange windet sich los, über das Meer
kommt Naglsar, das Todtenschiff. Heimdal, der Wächter an Bifrosts Rand,
stößt in das Giallrhorn, und der furchtbare Streit beginnt. Im Zweikampfe
fallen sie Alle, Götter wie Ungeheuer; zuletzt schleudert Surtur Feuer über
die Welt, daß sie verzehrt wird. Aber aus den Flammen steigt eine neue
wiedergeborne Schöpfung auf; Baldur kehrt zurück, und mit ihm eine selige
Unschuldszeit.
Es läßt sich nicht bestimmt Nachweisen, wie weit die Deutschen diesen küh-
neren Vorstellungen der altnordischen Stammesbrüder gefolgt sind; auch mochten
je nach den Landschaften Abweichungen Vorkommen. Doch nennt ein deutsches
heidnisches Zauberlied aus dem 7. Jahrhundert unter andern Göttern auch den