1855 -
Heidelberg
: Winter
- Autor: Mürdter, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Bürgerschule, Lateinschule, Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gymnasium, Lateinische Schule, Pädagogium, Realschule, Töchteranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
88
§. 91. Lehensverfassung, Literatur und Kirche.
bringen ließ, um sich die Alleinherrschaft in allen fränkischen Landen zu ver-
schaffen.
Während der Stiftung des Frankenreichs war der hochbegabte O st-
gothenkönig Thevdorich mit seinem ganzen Volk ans Ungarn auft
gebrochen und nach Italien gezogen, hatte dort Odoakers Herrschaft
490vernichtet und das ostgothische Reich gegründet, in welchem er wäh-
rend seiner 33jährigen Regierung bemüht war, Ruhe, Ordnung und
Wohlstand zu fördern.
Das Reich Theodor ich s des Großen umfaßte außer Italien und Si-
cilien noch den größten Theil der Länder zwischen den Alpen und der Donau,
sowie Istrien und Dalmatien, und wurde von ihm mit großer Weisheit und
Mäßigung regiert. Theodorich bildete sein Heer nur aus Gothen und hielt
es beständig in Lagern; Handel und Gewerbe überließ er den Römern. Er
war ein Regent, den alle Fürsten seines Zeitalters mit Hochachtung betrachte-
ten und auf dessen weisen Rath sie gerne hörten. Nur am Ende seines Le-
bens, als der Religionshaß der Römer gegen ihn, den Arianer, erwachte,
ließ er sich von der Bahn der Besonnenheit abbringen, und verurtheilte
zwei edle gebildete Römer, Boethins und Symmachus, unschuldig
zum Tode.
2. Lehensverfassung, Literatur und Kirche.
§.91. Dn den von den Germanen eroberten Ländern bildete sich in
dieser Zeit die Lehensverfassung und Rechtspflege aus.
Der König behielt nämlich einen Theil des eroberten Landes für sich, einen
Theil ließ er den seitherigen Bewohnern und einen Theil vertheilte er unter
sein Gefolge als Eigenthum (Allod). Dafür hatte jeder Allodbesitzer auch
fernerhin die Pflicht, in den Heerbann mitzuziehen. Um nun aber die somit
unabhängiger gewordenen Gefolgsglieder wieder mehr an sich zu fesseln, gab
der König an Einzelne nach Verdienst oder Gunst Theile seiner königlichen
Güter zu lebenslänglichem Genuß. Ein solches Gut hieß L e h n s g u t oder F e o d,
(Feudum) und die damit Belehnten, welche dem Herrn stets zu treuem Dienste
gewärtig sein mußten, nannte man Leudes (Vasallen, Dienstmannen). Ver-
säumte einer derselben seine Pflicht, so zog der Lehnsherr sein Gut wieder zurück.
Auch entstanden damals schon die ersten schriftlichen Aufzeichnungen für
die Rechtspflege bei verschiedenen germanischen Völkern, z. B. bei den Fran-
ken, Allemannen, Bayern re. Aus jedes Vergehen war Geldbuße gesetzt, nur
auf Feigheit und Landesverrath der Tod. Konnte kein Beweis geführt wer-
den , so wurde auf einen Eid, bei schwereren Fällen auf ein Gottesurtheil
oder Ordal (Zweikampf, Wasser- und Feuerprobe re.) erkannt.
In Beziehung auf das Ch riftenthum erhielt im Abendlande das
allgemeine (katholische) Bekenntniß die Oberhand, feit die Franken das-
selbe angenommen hatten. Der Arianismus aber fand mit allen Völkern,
welche ihm bleibend anhiengen, den Untergang.
Unter den Schriftstellern auf kirchlichem Gebiet ist aus jener Zeit derkirchen-
vatera ugustinus (354—430), Bischof von Hippo in Afrika, zu nennen.