1855 -
Heidelberg
: Winter
- Autor: Mürdter, Friedrich
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Bürgerschule, Lateinschule, Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gymnasium, Lateinische Schule, Pädagogium, Realschule, Töchteranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): koedukativ
102 §. 102. Die Kreuzzüge.
Flandern Constantinopel eroberten und das „lateinische Kaiser-
thum" gründeten.
Der fünfte Kreuzzug hatte gar keinen Erfolg; im sechsten
gewann zwar Kaiser Friedrich Ii. durch einen Vertrag mit dem ägyp-
tischen Sultan Camel Jerusalem und die heiligen Orte;
1228 doch giengen sie, als er nach Italien zurückgekehrt war, gleich wieder
verloren.
Die Lust zur Kreuzfahrt sank indeß mehr und mehr, da man die
Erfolglosigkeit derselben wahrnahm. Nur Ludwig Ix. der Heilige,
König von Frankreich, versuchte noch den siebenten und letzten
1248kreuzzug und eroberte Damiette in Aegypten, wurde aber ge-
fangen und mußte alles Eroberte zum Lösegeld wieder herausgeben.
Bald darauf kehrte er nach Frankreich zurück, um dort die bedrohte
Ordnung zu erhalten. Spater machte Ludwig noch einen Versuch, we-
nigstens in Afrika die muhammedanische Macht zu brechen; aber eine
Seuche raffte den größten Theil seines Heeres und ihn selbst (1270)
vor Tunis weg, und bald darauf verloren die Christen in Palästina
mit Accon die letzte ihrer Besitzungen.
Trotz der äußern Erfolglosigkeit brachten die Kreuzzüge doch folgenreiche
Veränderungen hervor: Sie veranlaßten die Gründung neuer Reiche, welche
längern Bestand hatten, wie Portugal und Sicilien; sie brachten das Morgen-
und Abendland in engere Berührung, gaben durch erweiterte Bekanntschaft
mit fremden Ländern und deren Sitten und Erzeugniffen dem Handel, Ge-
werbwesen und Ackerbau, den Wissenschaften und Künsten mächtigen Auf-
schwung, förderten den Gcmeingeist, die Freiheit und Macht der Städte,
legten den Grund zum nachmaligen freien Bauernstand und veredelten das
Ritterwesen. Den größten Vortheil aber zog die geistliche Macht davon.
Der Papst wurde durch dieselben richterlicher Oberherr der ganzen abendlän-
dischen Christenheit, und der Klerus bereicherte sich durch Kauf, Geschenke
und Vermächtnisse.
Dagegen litten Religion und Sittlichkeit wesentliche Nachtheile; Aberglau-
den und Sittenlosigkeit nahmen durch die Krcuzzüge ungemein überhand.
Auch im Abcndlande wurden Kreuzzüge gemacht, und zwar gegen die
heidnischen S lav en und Preußen, so wie gegen die Ketzer, welche
hauptsächlich durch das Bestreben aufkamen, die Kirche von den cingerisse-
nen Mißbräuchen zu reinigen.
Die wichtigsten dieser Secten waren die Albigenser in der Grafschaft
Toulouse, welche allerdings gefährliche Lehren aufbrachten, und die Waldenser
im südlichen Frankreich und in Piemont, welche das reine Christenthum der
Apostelzcit wieder herzustellen suchten. Beide wurden, als der Papst das
Kreuz gegen sie predigen ließ, auf eine unmenschlich grausame Weise gegen
zwanzig Jahre lang mit Feuer und Schwert verfolgt, so daß namentlich das
schöne gewcrbreiche Südfrankreich eine Einöde wurde.