1851 -
Heidelberg
: Winter
- Autor: Dittmar, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
Kap. 21. Die salischen Kaiser. (Heinrich Iv in Canossa.)
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mischte sich demnach das von Gregor's glühendem Eifer für das Wohl
der Kirche eingegebene hierarchische Streben bei, die Kirchen ge-
malt über die Staatsgewalt zu erheben. Anstatt die weltliche
Macht in das neben geordnete Verhältnis) der Kirche zurückzuführen,
nahm Gregor sie in den Dienst der Kirche und trug das, was im
geistlichen Verstand dem Reiche Christi, das nicht von dieser
Welt ist, zukömmt, äußerlich über auf die Kirche und ihr Ober-
haupt. Und da die Idee einer solchen geistlichen Herrschaft von Gre-
gor's Nachfolgern häufig noch weit äußerlicher gedeutet, ja oft mit
unheiligem Sinne verfolgt wurde, und anderseits auch manche Kaiser
fortfuhren, die Kirche wahrhaft zu knechten, so mußte sich
zwischenkirche undstaat ein Kampf entspinnen, welcher,
weil es so Hohes galt, in seinem mehrhundertjährigen Verlaufe beide
Mächte zur äußersten Anspannung ihrer Kräfte trieb und auf beiden
Seiten großartige, daneben aber auch betrübliche Erscheinungen ver-
anlaßte.
.) Mutet' diesen Umständen war dem Papste Gregor die Berufung
der Sachsen an seine Entscheidung willkommen. Er stellte an den
Kaiser die Forderung, vor seinem R i ch t e r st u h l e in Rom zu
erscheinen, und da jener, darüber empört, durch ein Concilium
deutscher Bischöfe den Papst absetzen ließ, so sprach Gregor den Bann-
fluch über den Kaiser aus und untersagte ihm die Regierung
des deutschen und italienischen Reiches.
Anfangs achtete Heinrich den Bann nicht; als aber alles Volk
von ihm abfiel, die Sachsen sich erhoben, und die Mehrzahl der deut-
schen Fürsten, gegen alle seine Bitten taub, ihm auf dem Fürstentage
zu Tribur (am Rhein) erklärten, daß sie einen andern König wählen
würden, wenn er nicht binnen Jahresfrist vom Banne losgesprochen
sein würde, bis wohin er in Speyer sich der Regierung enthalten solle:’
so ging Heinrich — eben so zaghaft im Unglück, wie übermüthig
im Glück — diese Bedingung ein. In der Besorgniß aber, in Speyer-
vergebens auf die Lösung des Bannes harren zu müssen, entschloß er sich,
mitten im strengsten Winter in aller Stille über die von seinen Feinden
gesperrten Alpen zu reisen, einzig darauf bedacht, vom Banne loszu-
kommen, damit die ihm verhaßten Fürsten nicht triumphiren könnten.
Als er, bloß von seiner treuen Gemahlin Bertha begleitet, nach
einer höchstbeschwerlichen Reise über den schneebedeckten Mont Cents
in Piemont ankam, ermunterten ihn viele italienische Fürsten und
Bischöffe, welche selber unter Gregor's strengen Maßregeln litten, sich
D i t t m a r, deutsche Gesch., 3. Auch. 9