1851 -
Heidelberg
: Winter
- Autor: Dittmar, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
Kap. 31. Anfang der Reformation. (Wahl u. Krönung Karl's V.) 247
Luther nur zu bald klagen, daß so sehr Viele die evangelische Frei-
heit nur zum Deckel der Bosheit nahmen und aus ihr eine zügellose
Freiheit des Fleisches machten. Gegen diese glaubens- und zügellose
Masse, deren unevangelischcs Treiben von den Gegnern als unmittelbare
Folge der Lehre der Reformation dargestellt wurde, kämpfte Luther
sein Leben lang mit eben so heftigem Unmuth, wie gegen die „Papisten"
selbst, und wenn er oft in dem Papst den „Antichrist" sah, so erschien
ihm nicht minder die Rotte der falsch-evangelischen Christen als „vom
Teufel besessen."
(5.) Unterdessen waren die Gemüther der Mächtigen auf die neue
Kaiserwahl gerichtet gewesen, von der man Befestigung der bereits
wieder wankenden Ordnung in den Reichsangelegcnheiten, und be-
sonders die Beilegung des kirchlichen Streites erwartete, wie denn
zu dieser Zeit vorzugsweise die zwei großen Gedanken, nämlich der
einer Erneuerung der kirchlich-religiösen Zustande und
der einer nationalen ständischen Regierung den Geist des
deutschen Volkes beschäftigten.
Der alte Kaiser Marimilian hatte kurz vor seinem Tode auf dem
Reichstag zu Augsburg 1518 die Erwählung seines Enkels Karl, der bereits in
Spanien zur Thronfolge gelangt war, betrieben, sic aber nicht durch-
setzen können , weil Papst L co und König Franz I von Frankreich dagegen wirkten.
Mißmuthig darüber und bereits kränkelnd verließ Mar Augsburg und begab sich
nach Innsbruck, wo aber die Bürger, die von früher her noch eine Schuld an
ihn zu fordern hatten, sein Gefolge aufzunehmcn sich weigerten. Diese Kränkung
verschlimmerte seine Krankheit, die zu Wels in Obcrösterrcich den 12. Jan. 1519
mit dem Tode endete.
Die Fürsten hatten Friedrich den Weisen, Kurfürsten
von Sachsen, der bei ihnen wegen seiner Besonnenheit, Redlichkeit
und Geschäftserfahrung das größte Ansehen genoß, und stets ein
vorzugsweise ständisches Reichsregiment angcstrebt hatte, zum
Kaiser wählen wollen; aber er hatte die Krone ausgeschlagen, und
auf seinen Rath war 1519 Marimilian's Enkel, der Beherrscher von
Spanien, den Niederlanden, Oesterreich, Neapel und Sicilicu, so
wie der neu entdeckten Länder Amcrika's, gewählt und
1320 den 22. Oct. als Karl der Fünfte zu Aachen gekrönt worden,
nachdem er zuvor die W a hlc apitul atio n d. i. einen Wahlvertrag,
wodurch sich die Fürsten Deutschlands gegen den Mißbrauch kaiserli-
cher Gewalt zu schützen suchten, unterzeichnet hatte.
Alles war in gespannter Erwartung, auf welche Seite sich der
neue Kaiser in der Kirchenfrage wenden werde. Aber Karl war noch