1851 -
Heidelberg
: Winter
- Autor: Dittmar, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
- Geschlecht (WdK): Jungen
Kap. 46. Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung.
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Contribution von 140 Mill. Fr., die Verzichtleistung auf künftige Er-
werbungen zwischen Elbe und Rhein, die Aufgebung des directen
Handels mit England) eingehen mußte.
Aus jenen eroberten deutsch-preußischen Ländern bildete hierauf
Napoleon mit Hinzunahme von Braunschweig, Kurhessen und einem
Theile von Hannover das Königreich Westfalen und gab es
seinem jüngsten Bruder Hieronymus. — Aus den polnischen
Provinzen entstand ein sogenanntes Herzogthum Warschau,
das dem König von Sachsen gegeben wurde. Das feste Danzig
wurde ein sogenannter Freistaat, in der That aber eine Zwingburg
Napoleons gegen den europäischen Osten. — Viele Rheinbund-
sürsten erhielten Ländervergrößerungen und viele kleinere mittel- und
norddeutsche Fürsten beeilten sich, dem Rheinbund beizutreten, und
sich ihre Existenz zu sichern. — So war die Hälfte des ehemaligen
deutschen Reichs theilö unmittelbar, theils mittelbar eine französische
Provinz und das Ziel der Politik eines Ludwig's Xiv mehr als
erreicht.
Ein in allen Rhcinbundstaaten Poll ständig organisirtcs Police u
systeni diente dem Protccior dazu, alle innern Zustände und Bewegungen, und
zwar der Negierungen sowohl, als der Völker, in diesen Ländern bis in's Ein-
zelnste zu überwachen und alles seiner Gewaltherrschaft Hinderliche durch die ihm
gehorsamen Organe unterdrücken zu lassen. Insbesondere wurde Schrift und
Rede auf's strengste bewacht und wo irgend eine Policei nicht schnell und
kräftig genug in seinem Sinne handelte, da griff er mit seinem überall gegen-
wärtigen Militärarm ein und der unglückliche Palm z. B. mußte die Veröffent-
lichung einer patriotischen Klage über Deutschland's „tiefste Erniedrigung" blutig
büßen. —• Desgleichen drang Napoleon allenthalben in den Nhcinbundsländcrn
auf möglichste Annäherung im Verwalt ungs- und Gerichtswesen an
die Institutionen des französischen Kaiserreichs, in der geheimen Absicht, dadurch
die künftige Einverleibung der Rhcinbundlandc in Frankreich vorzubereiten. —
Auch hoben die meisten Nheinbundfürsten kraft der ncuerworbcncn Souverainctät
die letzten Neste l a nd st än d isch er Einrichtungen auf und selbst
die wenigen Spuren corporativcr Rechte, die sich in vielen Stadtgemcindcn er-
halten hatten, verschwanden und wurden von landesherrlichen Beamten ausgcübt.
Viele dieser neuen Institutionen förderten allerdings das materielle Wohl
des Volks; allein die wachsende, Steuerlast, die Conscriptioncn, die Anmaßungen
der Beamtcnhcrrschaft, die Einlagerungen und beständigen Durchzüge französischer
Hccrmasscn und andere Plackereien steigerten auf der andern Seite die bestehende
Unzufriedenheit des Volks zum entschiedensten Haß gegen das Franzosen-
thum, mit dem sich nur die Beamten- und Militärwclt zu vertragen vermochten.
Daher konnte keine allgemeine patriotische Erregung entstehen, zumal sich in den
souverain gewordenen Nheinbundstaatcn mehr und mehr der stärkste Particu-
larismus ausbildete, der gegen die allgemeinen Leiden unempfindlich war, so
daß sich sogar nicht selten ein Bruderstamm freute, wenn der andere von der
eisernen Ruthe des fremden allgebietcnden Machthabers gestäupt wurde.