1834 -
Dresden [u.a.]
: Arnoldi
- Autor: Philippi, Ferdinand
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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ganz Deutschland der Vürgerftand und auch, ein großer
Theil des Adels die altgewohnte Ehrfurcht vor der Gelstlich-
keit verlor und sich nach einer gereinigten Lehre, nach einem
verbesserten Gottesdienst sehnte, so war das doch nirgends
mehr der Fall als in den sächsischen Landen. Das Volk
darin war regsam, fleißig, ernsthaft, zum Denke;, aufge-
legt, nüchtern, fromm und ehrbar und nahm ein großes
Aergerniß an den anstößigen Sitten der Geistlichkeit. Von
den drei in den sächsischen Landen befindlichen Univer-
sitäten, Erfurt, Leipzig, Wittenberg war mancher
Lichtstrahl in der Umgegend verbreitet worden und hatte cs
hell in den Köpfen gemacht. Dazu fehlte es nicht an gu-
ten Schulanstalten im Lande, und eine lange Reihe wür-
diger Fürsten hatte durch eigenes Beispiel eines musterhaf-
ten Lebenswandels und durch heilsame Verordnungen die
Sittlichkeit bei dem Volke gehoben. Die Nähe von Böh-
me n, wo durch H u ß und seine Anhänger bereits eine Kir-
chenverbefferung versucht worden war, hatte wohl auch da-
zu beigetragen den Wunsch darnach in Sachsen anzucegcn.
So war Sachsen vor allen andern Landern der geeignete
Boden, auf dem die heilvolle Saat der gereinigten Lehre
gedeihen und Früchte bringen konnte; die Gemüther in die-
sem Lande waren darauf vorbereitet, und es bedurfte nur
eines bequemen Anlasses und eines dazu fähigen Hauptes,
um das, was längst als ein höchst dringendes Bedürfniß
von Taufenden gewünscht und erwartet wurde, zur Aus-
führung zu bringen, und als die rechte Zeit dazu erschienen
war, da fehlte es an beiden nicht.
Der Anlaß, der zunächst die Kirchenverbefferung her-
beiführte, war der fchaamlos getriebene Ablaßhandel,
der zwar früher auch schon stattgefunden hatte, doch nicht
mit einer solchen Frechheit und auf eine so sittenzerftörende
Weise, als nunmehr. Von jeher hatten die Päpste auf
mancherlei Weise Geld aus den christlichen Ländern zusam-
men zubringen gesucht, und besonders war Deutschland
eine reiche O-uclle von Einkünften für sie gewesen. Unter
diesen Erwerbsquellen war der Ablaß eine der. ergiebigsten
und wurde um so häufiger von ihnen benutzt, da es eine
freiwillige Abgabe war, und daher auch kein Landesherr
dagegen so leicht etwas einzuwenden haben konnte. Der