1834 -
Dresden [u.a.]
: Arnoldi
- Autor: Philippi, Ferdinand
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte, Sachsen
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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wollten nicht nur eine neue Religion sondern auch ein
weltliches Reich Christi auf Erden einführen, die alte Obrig-
keit sollte vertilgt und eine neue vollkommen heilige einge-
führt werden. Sie verwarfen die Kindertaufe und behaup-
teten, daß jeder erwachsene Mensch noch einmal getauft
werden muffe. Darum erhielten sie den Namen Wieder-
täufer. Die muthige Widersetzlichkeit des Pastors Nico-
laus Hausmann und seiner Capläne und das kräftige
Einschreiten des Magistrats hemmten für einige Zeit die
Fortschritte dieses gefährlichen Unfugs. Nunmehr wandten
sich aber die Häupter der neuen Secte nach Wittenberg
und verlangten von den Theologen daselbst die Bestätigung
ihrer Lehre. Melanchthon wollte darüber nicht entschei-
den und bat den Kurfürsten, Luthern die Prüfung dieser
neuen Lehre aufzutragen. Der Kurfürst ließ ihm rathen,
alle Verbindung mit den Schwärmern abzubrechen, dann
aber Luthern durch S p a l a t i n von diesen Vorfällen Nach-
richt geben. Der rieth, die Schwärmer mit Milde zu be-
handeln, und sie verbanden sich mit der Karlstadtschen
Partei in Wittenberg und die Unruhen in dieser Stadt
nahmen so überhand, daß die auswärtigen Feinde der Kir-
chcnverbefferung leicht einen Vorwand hätten finden können,
sich in diese Händel gewaltsam einzumischen. Luther war
nun überzeugt, daß nur durch seine Gegenwart dem Un-
wcsen gesteuert werden könne, und so trat er ohne Beden-
ken die Reise nach Wittenberg an, obgleich er wegen
der kaiserlichen Acht sein Leben dabei wagte, den Kurfürsten
selbst in die größte Verlegenheit setzte, und Gefahr lief, von
den Schwärmern getödtet zu werden; doch wo es die Sache
der Religion galt, kannte Luther keine Furcht. Ohne
auf das Verbot des Kurfürsten zu achten, verließ er seinen
heimlichen Aufenthaltsort auf der Wartburg und langte
am 8ten März 1522 in Wittenberg an. Am folgen-
den Tage bestieg er die Kanzel und predigte 8 Tage himcr-
einander wider die während seiner Abwesenheit eingeriffenen
Unruhen. Seine Ermabnungen machten eine so große Wir-
kung auf das Volk, daß in kurzer Zeit die Ruhe völlig her-
gestellt war.
Während die Reformation durch diese Unruhen bedroht
wurde, gewann sie auf der andern Seire dadurch, daß die