1867 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
108 9. Rußland und die Türkei bis zum Frieden von Adrianopel.
und der in jenen Gegenden früh hereinbrechende Winter zwangen
ihn, sich bereits im October nach Georgien zurückzuziehen.
Der Kampf brach im folgenden Jahre von Neuem aus und
ward diesmal mit größerem Erfolge für die russischen Waffen ge-
krönt. Dem russischen Heere, welches während des Winters auf
wenigstens 150,000 Mann gebracht worden, konnte die Pforte kaum
50.000 Mann regelmäßig eingeübter Truppen entgegensetzen. An
Stelle des Feldmarschalls Grafen von Wittgenstein, der sich in
den letzten Feldzügen gegen Napoleon ausgezeichnet hatte, aber seit-
dem sehr gealtert war, erhielt der General von Diebitsch den Ober-
befehl über das russische Heer. In Asien commandirte nach wie
vor Paskewitsch.
Die Russen trugen jetzt einen Vortheil über den anderen davon.
Am 11. Juni 1829 schlug Diebitsch den Großvezier in der Nähe
von Schumla. Den 18. Juni ging Silistria über, das im Jahre
vorher vergebens belagert worden. Am 20. Juli überstieg Diebitsch
den Balkan, und erhielt für diese, bisher von keinem russischen
Feldherrn, vollbrachte That, den Grafentitel mit der Bezeichnung:
Sabalkanski. Am 20. August zogen die Russen in Adrianopel,
der zweiten Hauptstadt des türkischen Reiches, ein. In derselben
Zeit hatte Paskewitsch in Asien große Erfolge errungen, und die
Hauptstadt des türkischen Armeniens, das schon zu den Zeiten der
Römer berühmte Erzerum (urx Eomanorum), eingenommen. Die
Kraft des Sultans schien endlich gebrochen zu sein. Ganz Europa
erwartete in jenem Augenblick die Besetzung Constantinopels durch
die Russen, welche, jedenfalls zu einem solchen Unternehmen zu schwach,
außerdem durch die Vorstellungen der fremden Diplomatie von jedem
weiteren Vorrücken abgehalten wurden.
Eine Eroberung der Türkei lag damals nicht in den Absichten
des Kaisers von Rußland, und tvürde, hätte er sie in das Werk
setzen wollen, alle Großmächte gegen ihn vereinigt haben. Der Friede,
den er der Pforte bewilligte und der am 14. September 1829
in Adrianopel abgeschlossen wurde, legte derselben, im Vergleich
zu dem unglücklichen Ausgange des Krieges, keine übergroßen ma-
teriellen Opfer auf, schwächte aber ihr moralisches Ansehen, und ge-
wöhnte die Welt daran, Rußland als den Schiedsrichter in den
türkischen Angelegenheiten anzusehen. Der Sultan trat die Städte
Achalzik und Achalkalaki sammt ihren Gebieten ab, die bisher zu dem
türkischen Armenien gehört hatten, versprach innerhalb 18 Monaten
1.500.000 Dukaten als Entschädigung an russische Privatleute für
seit dem Anfänge des griechischen Befreiungskrieges durch die türki-
schen Behörden erlittene Verluste, und 10,000,000 Dukaten als
Ersatz für die Kriegskosten zu bezahlen. Auch nahm er den von
ihm vorher immer verworfenen Vertrag vom 6. Juli in Betreff
Griechenlands an. In Bezug auf die Donau-Fürstenthümer wurden
die früheren Verträge erneuert, wodurch Rußland ein Recht der