1867 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
350 34. Die Revolutionen in Deutschland im Jahre 1848.
in den beiden letzten Wochen laut und öffentlich als höchsten Aus-
druck der Volkswünsche bezeichnet hatte, bewilligt worden. Ein frohes
Gefühl ging durch die Massen, die sich nach dem Schloßplatze begaben,
um dem Könige ihre Dankbarkeit durch ein Lebehoch auszudrücken.
Friedrich Wilhelm Iv. erschien zweimal auf dem Balkon des Schlosses,
und wurde von einem tausendstimmigen Jubel begrüßt. Da regte
sich plötzlich mitten unter den Freudebezeugungen in dem Volke die
Erinnerung an die Todten und Verwundeten, die es am 15. und
16. März gehabt hatte. Es hieß: „Militär fort! Militär zurück!
Der König vertraue sich seinen Bürgern an!" Denn die Eingänge
zu dem Schlosse waren mit Infanterie besetzt, und auf dem Platze vor
demselben Dragoner aufgestellt. Der König wies das Verlangen der
Menge, das Militär zu entfernen, mit der Bemerkung zurück, daß
man ihm einen unehrenhaften Rückzug der Truppen nicht zumuthen
könne. Der Ruf: „Militär fort!" nahm, mit Drohungen und Ver-
wünschungen gemischt, von Neuem überhand. Da ließ der Comman-
deur des Garde-Dragoner-Regiments seine Mannschaft mit gezogener
Waffe gegen das Volk vorrücken. In diesem Augenblick fielen in
den Reihen der Soldaten zwei Schüsse, die aber Niemand verwun-
deten. Eine keineswegs beglaubigte, aber hartnäckig festgehaltene
Meinung wollte in diesen beiden Schüssen ein verabredetes Zeichen
sehen; die Menge überredete sich, die beiden Schüsse seien das
Signal zu einer Niedermetzelung des Volks, und man argwöhnte, die
königlichen Verheißungen seien nur eine Lockspeise gewesen, um das-
selbe ins Verderben zu stürzen. Unter dem Ruf: „Wir sind ver-
rathen! Zu den Waffen! Zu den Waffen!" flog die Menge nach
allen Richtungen aus einander. Sogleich ward der Bau von Barri-
kaden angefangen, selbst in den entfernteren Theilen der Stadt. Auf
den meisten von ihnen wehte die schwarz-roth-goldene oder deutsche
Fahne, welche für das Symbol der Freiheit galt, während die preu-
ßischen, schwarz-weißen Farben als das Sinnbild des alten Militär-
und Polizeistaates angesehen wurden. Bald nach drei Uhr begann
der Angriff der Truppen gegen die Barrikaden. Gegen sieben Uhr
Abends war der größte Theil der Königstraße von den Truppen ge-
nommen, die, wie dies in Bürgerkriegen und bei Straßenkämpfen
leider häufig ist, beim Eindringen in die Häuser, aus deren Fenstern
geschossen, oder von deren Dächern mit Steinen geworfen worden,
keinen Unterschied zwischen Bewaffneten und Unbewaffneten machten,
und auch Wehrlose oder Unbeteiligte als Feinde behandelten. Meh-
rere Versuche wurden bei dem Könige gemacht, um ihn zur Entfer-
nung der Truppen zu bewegen, aber er verlangte, daß vorher die
Barrikaden von dem Volke fortgeräumt würden. Während der Nacht
erließ er eine Proclamation an die Bevölkerung, die am Morgen
veröffentlicht wurde, und in der er die Menge beschwor, von dem
Kampfe abzulassen, und Erfüllung aller rechtmäßigen Wünsche versprach.
Am Nachmittag erschien die königliche Verordnung, welche die Ent-