1867 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Geschlecht (WdK): Jungen
44. Napoleon Iii.
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44. Napoleon in.
(Nach Mar Biffart, die Kämpfe in Europa in den letzten 12 Jahren (1848-1859),
und C. Wernicke, die Geschichte der Neuzeit, bearbeitet vom Herausgeber.)
a. Die Zeit bis zum Kaiserthum 1808—1852.
Ludwig Napoleon, der zweite Sohn des ehemaligen Königs
bou Holland von der Königin Hortensie Eugenie, ward am 20.
April 1808 geboren. Bei dem Sturze seines Onkels erst 7 Jahre alt,
theilte er schon in zarter Jugend das harte Loos der Napoleoniden,
das der Verbannung. Anfangs lebte er mit seiner Mutter in Augs-
burg, später auf ihrem Schlosse Arenenberg im Canton Thurgau;
er trat als Capitain in die Armee dieser Republik, nachdem er auf
der Thuner Militärschule Artilleriewissenschaft studirt hatte. Dort
war sein Lehrer der spätere schweizerische Obergeneral Dufour. Als
Dank für die mannichfachen Wohlthaten, die seine Mutter den Ar-
men in der Umgegend von Arenenberg erwies, schenkte ihm der Can-
ton Thurgau das Ehrenbürgerrecht.
Der Schauplatz der ersten Thätigkeit des jungen Prinzen Ludwig
Napoleon war Italien, wo er im Februar 1831 sich mit seinem
älteren Bruder an der in der Romagna ausgebrochenen Revolution
betheiligte (s. S. 214 f.). Während sein Bruder auf der Flucht den
Masern erlag (zu Forli), entkam er nach England. Von dort be-
gab er sich bald wieder nach der Schweiz, auf das Schloß Arenen-
berg, wo er sich mit literarischen Arbeiten beschäftigte, namentlich
seine Rêveries politiques schrieb, in welchen er die Nothwendigkeit
der Napoleonischen Dynastie für Frankreich darzuthun suchte. Nach
dem Tode des Herzogs von Reichstadt (1832) hielt er sich für den
gesetzlichen Erben der Napoleonischen Familie. Zweimal versuchte er
vergebens, sich zum Herrscher Frankreichs aufzuwerfen, das erste Mal
in Straßburg (1836) (s. S. 148), das zweite Mal in Boulogne
(1840) (s. S. 152). Sein Gefängniß im Schlosse Ham wurde, wie
er selbst sagte, seine Universität, auf welcher er 6 Jahre in einsamer
Haft unausgesetzt studirte, bis es ihm am 25. Mai 1846 gelang,
als Maurer verkleidet, zu entfliehen und abermals glücklich England
zu erreichen.
Als er nach der Februar-Revolution in 3 Departements zum
Abgeordneten gewählt worden und Lamartine's Vorschlag, das Ver-
bannungsdecret gegen die Napoleoniden aufrecht zu erhalten, durch-
ftel, zog er es doch vor, einstweilen in London zu bleiben, um sich
mit der provisorischen Executivgewalt nicht zu Überwerfen (s. S. 333).
Nach Vollendung der Verfassung für die (zweite) französische Repu-
blik, trat er als Candidat für die Präsidentschaft auf und siegte über
Cavaignac (s. S. 335). Durch den Staatsstreich vom 2. Dec. 1851
stürzte er die Verfassung (s. S. 340) und ließ sich die Präsidentschaft