1836 -
Leipzig
: Baumgärtner
- Autor: Fiedler, Franz
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Gymnasium, Realschule, Höhere Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Römische Antike
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
c-
177
das Klaggeschrei der verwundeten, von den Dächern herabgeftürzten,
halb verbrannten und zerquetschten Greise, Kinder und Frauen, welche
sich in den Häusern verborgen hatten. Noch schrecklicher war das
Schicksal der Unglücklichen, welche von den Arbeitern, die den Schutt
wegräumten, um einen Weg für die heranrückenden Truppen zu bahnen,
mit eisernen Hacken hin und her gezogen und lebendig begraben wurden,
so daß noch die Beine oder der Kopf aus dem Schutt hervorragten,
worüber dann die Reiterei schonungslos hinwegsprengte und Alles zer-
trat. Die Hitze des Kampfes, die Aussicht auf den nahen Sieg, der
Eifer des ganzen Heeres, das Geschrei der Herolde, das Schmettern
der Trompeten, das Rufen der hin- und herrennenden Obersten und
Hauptleute mit der ablösenden Mannschaft, hatte in dieser Blutarbeit
alles menschliche Gefühl erstickt; nicht Schonung, sondern Vertilgung
war die allgemeine Losung. So dauerte der schreckliche Kampf sechs
Tage und sechs Nächte, in welchen Scipio ohne Rast und Schlaf
auf dem Platze blieb, bis er abgemattet niedersank und von der Höhe
herab den Schauplatz der gräßlichsten Zerstörung überblickte.
Endlich erschienen am siebenten Tage Abgeordnete aus der Byrsa
und baten um freien Abzug für die, welche dieselbe verlassen wollten.
Scipio gewährte ihnen diese Bitte, nur nahm er die Ueberläufer von
dieser Begünstigung aus. So zogen an 60,000 Männer und Frauen
durch eine Mauerlücke, die man ihnen öffnete, heraus und erhielten
eine Wache. Hasdrubal, der jede Aufforderung zur Uebergabe abwies,
rettete sich und seine Familie mit etwa neunhundert Ucberläufern in den
festen Tempel des Aesculapius, der auf dem höchsten Felsengipfel lag,
wohin man auf sechzig Stufen hinaufstieg. Noch vertheidigte sich
diese kleine Schaar aus Verzweiflung eine Zeit lang. Als aber Hunger
und Schlaflosigkeit ihre Kräfte verzehrt hatte, rannten sie in den Tempel
und auf dessen Dach, während Hasdrubal als Schutzflehender, mit
Oetzweigen in der Hand, heimlich zum Scipio floh. Dieser zeigte den
treulosen Ueberläufer der verlassenen Schaar, welche nun unter schreck-
lichen Verwünschungen den Tempel in Flammen steckte und sich mit
demselben verbrannte. Hasdrubals edle Gattin aber trat mst ihren
beiden Knaben auf die Zinne des brennenden Tempels und schrie zum
Scipio hinüber: »Ueber dich, o Römer, keine Rache der Götter, du
stehst ja in Feindesland im Felde. Aber diesen Hasdrubal, der zum Ver-
räther geworden ist am Vaterlande, an dessen Heiligthümern, an mir
und seinen Kindern, mögen die Rachegötter Karthago's heimsuchen
und du, zunächst den Rachegöttern!" Hierauf rief sie zum Hasdrubal:
»»O du frevelhafter, treuloser, feigster unter den Männern! für mich
12