1862 -
Soest
: Nasse
- Autor: Giefers, Wilhelm Engelbert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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Heinrich Iv. wird von seinem Sohne Heinrich entthront.
doch weit entfernt, seinem Vater die Krone rauben zu wollen; sondern
wolle nur dessen Aussöhnung mit der Kirche bewirken. Und so ent-
brannte plötzlich von nettem das verzehrende Feuer des Bürgerkrieges
und bald stand der Kaiser seinem Sohne bei Negensburg kampfgerüstet
gegenüber (August 1105), sah sich jedoch zur Flucht nach Böhmen ge-
nöthigt. Plötzlich erschien er wieder in Mainz, dessen Bürger in Ver-
bindung mit andern Rheinstädten ein bedeutendes Heer für ihn ausge-
rüstet hatten.
4. Da betzab sich der König Heinrich, dem sein Vater bereits die
Hand zur Versöhnung geboten hatte, Neue und Gehorsam heuchelnd,
in dessen Lager. Hier warf er sich weinend zu seines Vaters Füßen,
flehete um Vergebung und betheuerte, daß er seinem Vater treu ge-
horchen wolle, wenn dieser sich tlur mit dem päpstlichen Stuhle aus-
söhne. Der Kaiser erklärte, daß er dasselbe schon längst eifrig wünsche,
und ließ sich sogar überreden, mit dreihundert Getreuen nach Mainz
zur Reichsversammlung seinem Sohne zu folgen, nachdem dieser ihm
das Versprechen gegeben hatte, daß er frei zurückkehren dürfe. Als
jedoch bestellte Botschaft kam, daß der Zug nach Mainz für den Kaiser
gefährlich sei, beredete der König Heinrich seinen Vater, einstweilen
nach der Burg Böckelheim au der Nahe zu gehen und dort die Weih-
nachtstage zuzubringen, indem er wiederholt mit vielen Schwüren be-
theuerte, daß er es mit seinem Vater redlich meine. Kaum hatte aber
der Kaiser mit einigen Begleitern die Burg betreten, als man ihn als
einen Gefangenen behandelte und bewachte. Der Bischof Gebhard von
Speier erhielt die Aufsicht über den Unglücklichen, den er mit schonungs-
loser Härte behandelte. Ja, er wurde sogar unter Androhung des To-
des gezwungen, die Reichskleinodien ausznlicfern. Auf der Reichsver-
sammlung zu Ingelheim wurde der Kaiser in Gegenwart seines Soh-
nes von neuem mit beut Tode bedroht, wenn er nicht auf der Stelle
abdanke. Knieend bat er um Aufschub, aber vergebens. Da erklärte
sich der gebeugte Kaiser zur Abdankung bereit, er bat nur, daß man
ihn wenigstens vom Banne befreien möge. Aber das konnte nicht so-
fort bewirkt werden und der unglückliche Kaiser übergab nun das
Reich, seine Güter, seine festen Burgen, kurz Alles, was er hatte, sei-
nen Feinden. Dennoch erhielt er seine Freiheit nicht zurück, sondern
wurde zu Ingelheim festgehalten, während sein Sohn in Mainz als
Heinrich V. im vollen Glanze als Kaiser auftrat.
5. Jedoch gelang es dem Kaiser, nach Cöln zu entfliehen, wo er
die freundlichste Ausnahme fand. Cöln und andere rheinische Städte
rüsteten mit großem Eifer ein Heer für den Kaiser, für welchen auch
der tapfere Herzog Heinrich von Niedcrlothringen zu den Waffen griff,
und so brach der Krieg von neuem aus. König Heinrich brach zur
Verfolgung fernes Vaters auf, aber ein Theil seines Heeres wurde von
dem Herzoge Heinrich mit großem Verluste geschlagen. Auf die Kunde
von dieser Niederlage floh der König nach Cöln, allein diese Stadt,
dem Kaiser treu, verschloß ihm die Thore. Darauf belagerte er Cöln
mit bedeutender Heeresmacht; aber die Bürger vertheidigten sich so
heldenmüthig, daß der König sich entschloß, zur Verfolgung seines Va-
ters nach Aachen aufzubrechen. Unterwegs erhielt er die unerwartete
Nachricht von dem plötzlichen Tode desselben.
6. Kaiser Heinrich war nämlich 56 Jahre alt, am 7. Aug. 1106
zu Lüttich vor Gram gestorben. Der dortige Bischof ließ ihn in einer