1862 -
Soest
: Nasse
- Autor: Giefers, Wilhelm Engelbert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Erster Krcuzziig.
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Unter den Fürsten, welche das Kreuz nahmen, waren die hervorragendsten:
Gottfried von Bouillon, Herzog von Niederlothringen, Und dessen Brüder
Balduin und Eustachius, Herzog Robert von der Normandie, die Grafen Robert von
Flandern, Raimund von Toulouse, Stephan von Blois und Hugo von Bermandois
(Bruder des Königs Philipp I. von Frankreich), sowie der Fürst Bohemund von Ta-
rent (Sohn Robert Guiscard's) und dessen Vetter, der edle Ritter Tancred von
Brundusium.
6. Als der Tag des Aufbruchs zur Heerfahrt nach dem heiligen
Lande war der 15. Äug. des folgenden Jahres (1096) festgesetzt. Aber
viele Ungeduldige, welche diesen Zeitpunct nicht abwarten konnten, tra-
ten schon im Frühlinge des I. 1096 den Zug an, unter andern eine
Schaar unter Führung Peter's von Amiens, und eine zweite unter
Leitung Walther's von^Perejo, eines französischen Ritters, der wegen
seiner Armuth Walter von Habenichts genannt wurde. Da sie aber
ohne alle Vorbereitung aufbrachen und ohne regelmäßige Bewaffnung
und ohne Geld waren, so wurden die meisten voll den durch ihre Plün-
derungen und Zügellosigkeit gereizten Ungarn und Bulgaren erschla-
gen. Nach mancherlei Ungemach und sehr großem Verluste gelangten
beide Schaaren endlich nach Constantinopel, wo der griechische Kaiser
Alexius sie über die Meerenge nach Kleinasien übersetzen ließ. Hier
wurden sie jedoch bald durch das Schwert der Türken größteutheils
aufgerieben; auch Walter fiel, Peter jedoch entkam glücklich nach Cou-
stantinopel. Zwei andere Haufen, von denen der eine in den Rhein-
aegenden und der andere in Lothrrngen gesammelt war, fielen über die
Juden her, welche pc mißhandelten und beraubten; beide fanden jedoch
schon in Ungarn ihrer frechen Räubereien wegen ihren Untergang.
So waren nun bis zum Anfänge des Sommers nach einer mäßigen
Berechnung gegen hunderttausend Menschen aus Frankreich und Deutsch-
land gewandert, und hatten, ohne das heilige Land nur gesehen zu ha-
den, schon auf dem Wege ihr Grab gefunden.
7. Unterdessen hatten sich große Schaaren von Rittern und re-
gelmäßig bewaffneten Freien und Unfreien aus Italien, Frankreich,
Lothringen, Flandern und der Normandie zur Fahrt in das heilige
Land versammelt. Gottfried von Bouillon brach am festgesetzten
Tage (15. Aug. 1096) mit 80,000 Fußgängern und 10,000 Reitern
von den Ufern der Maas auf und führte das Heer in musterhafter
Ordnung durch Oberdeutschland, Ungarn, Bulgarien und lagerte sich
unter den Mauern Constantinopels, um die Ankunft der übrigen aus
Italien, der Normandie und andern Theilen Frankreichs auf verschie-
denen Wegen heranziehenden Kreuzfahrer abzuwarten.
8. Als der griechische Kaiser die ungeheuren Menschenmassen her-
anwogen sah, denen immer neue folgten, ergriff ihn bange Besorgniß,
die Abendländer möchten sich seines eigenen, auf schwachen Stützen
ruhenden Reiches bemächtigen, und ließ sich von allen Führern der
Kreuzfahrer den Vasalleneid leisten. Darauf setzte das Heer, gegen
300,000 Mann zu Fuß und 100,000 Mann zu Pferde stark, nach
Kleinasien über und kam im Mai 1097 vor dem starkbefestigten Nicäa
an, das der Uebergabe schon nahe gebracht war, als den listigen Grie-
chen, welche mit den Einwohnern heimlich in Unterhandlung getreten
waren, die Stadt übergeben wurde. Von da zogen die Kreuzfahrer in
zwei Abtheilungen weiter und brachten in Phrygien einem großen tür-
kischen Heere von 150,000 Mann eine vollständige Niederlage bei.
Nachdem sie unsägliche Mühseligkeiten und Gefahren überstanden hat-