1862 -
Soest
: Nasse
- Autor: Giefers, Wilhelm Engelbert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
377
Graf Mansfeld und Christian von Braunschweig.
4. Der „tolle Christian" hatte seine Schaaren jetzt beinahe auf
20,000 Mann gebracht und versuchte nun auf dre Nachricht von dem
glücklichen Fortgange der Waffen Mansfeld's zur Bereinigung mit die-
sem in die Pfalz durchzubrechen; aber bei Höchst am Main stieß er
auf das bayerisch-spanische Heer unter Tilly und Cordova, durch wel-
ches (19. Juni 1622) sein Fußvolk völlig vernichtet wurde. Nur mit
der Reiterei gelang es ihm, zu Mansfeld zu entkommen; jedoch sahen
sich beide genöthigt, auf das linke Rheinufer sich zurückzuziehen. Zu-
nächst verheerten sie zum zweiten Male das Elsaß, wandten sich dann
nach Lothringen und an die französischen Grenzen, Schrecken bis nach
Paris hin verbreitend. Darauf wurden sie von den Holländern an-
geworben und nahmen ihren Weg durch die spanischen Niederlande,
um sich bei Breda mit den Truppen des Prinzen Moritz zu vereinigen.
Dem General Cordova, der sich ihnen bei Fleurus eutgegeustellte, brach-
ten sie, da Christian einen kühnen Reiterangriff wagte, einen bedeutenden
Verlust bei und entsetzten dann Bergen op Zoom. Unterdessen hatte
Tilly Heidelberg und Mannheim erstürmt, und die von jenen beiden
Bandenführern verlassene Pfalz seinem Herzoge Maximilian unterwor-
fen, dem sie der Kaiser Ferdinand auf dem Churfürstentage zu Regens-
burg (1623) mit der Churwürde aus Lebenszeit verlieh, jedoch mit Vor-
behalt der Rechte der Nachkommen Friedrich's von der Pfalz (S. 375).
5. Mansfeld und Christian, von den Holländern, für welche sie
eine Zeit lang gegen Spanien gekämpft hatten, ihres Dienstes ent-
lassen, bracheit in Westfalen ein, indem Mansfeld über Osnabrück nach
Ostfriesland, Christian nach dem niedersächsischen Kreise zog, dessen
Stände ihn als Kreisgeneral in Dienst nahmen, da sie gegen die
immer stärker werdende Macht des Katholicismus sich zu rüstenzwschlosfeu
hatten. Allein ihrer Uneinigkeit wegen wurde nichts zu Stande ge-
bracht. Deshalb verfolgte Christian wieder seinen Liebliugsplan, näm-
lich den Pfalzgrafen Friedrich wieder auf den böhmischen Thron zu
setzen. Zu diesem Zwecke trat er in Unterhandlungen mit Bethlen Gabor,
der während des deutschen Krieges zweimal den Frieden gebrochen und
selbst nach der ungarischen Königskrone strebte. Christian brach nun
auf, um tu Böhmen einzudringen und, mit dem Grafen Thurn uuö
Bethlen Gabor vereinigt, den Krieg daselbst neu auzufachen. Allein
der Churfürst von Sachsen verweigerte ihm den Durchmarsch durch
sein Gebiet, und Tilly rückte bereits auf Befehl des Kaisers zur Weser
vor. Deshalb beschloß Christian, sich wieder mit Mansfeld zu vereini-
gen und nach Westfalen zurückzuziehen. Allein Tilly erreichte ihn am
6. August 1623 bei Stadtlohn inymünsterlande und brachte ihm nach
einer dreistündigen, mörderischen Schlacht eine vollständige Niederlage
bei, so daß seine Schaaren vollständig aufgelöst und zerstreuet wurden.
Nach dieser Niederlage konnte auch Mansfeld, der nur noch geringe
Streitkräfte besaß, vor dem immer weiter vorrückenden Tilly nicht mehr
das Feld halten und entließ deshalb sein Raubgesindel. Er selbst
flüchtete sich nach England, während Christian nach Paris eilte, um sich
beim französischen Hofe Beistand zu verschaffen. In derselben Zeit, wo
Tilly diese beiden mordbrennerischen Parteigänger zwang, ihm das Feld
zu räumen, war Bethlen Gabor mit einem großen Heere bis an die
Grenze Mährens vorgerückt; da er aber von Christian keine Kunde
vernahm, so zog er sich wieder zurück und erneuerte im folgenden Jahre
den Frieden mit dem Kaiser.