1862 -
Soest
: Nasse
- Autor: Giefers, Wilhelm Engelbert
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
466 Der spanische Erhfolgekrieg.
halten Unö dann seine ganze Streitmacht dem spanischen Erbfolgekriege zu-
wenden zu können; aber nur langsam wandte sich der Sieg von den Re-
bellen auf die Seite des Kaisers.
Drei Jahre nach einander (1708—1711) traf die Ungarn Schlag auf Schlag;
die kaiserlichen Feldherren eroberten nach vielen glücklichen Treffen alle Festungen wie-
der und zwangen den von Ludwig Xiv. unterstützten Aufwiegler Franz Ragoczy zur
Flucht nach Polen. Die übrigen Häupter deö Aufstandes unterwarfen sich auf billige
Bedingungen (April 1711), Ragoczy und seine Anhänger wurden, weil sie die auge-
boteue Verzeihung verwerfend den Frledenövertrag nicht Unterzeichneten, in die Acht
erklärt.
3. Wären durch diese ungarischen Wirren die Streitkräfte Oesterreichs
nicht zersplittert, so würden im ersten Negierungsjahre Joseph's 1. (1705)
ohne Zweifel in Deutschland größere Thaten ausgeführt worden sein. Der
Prinz Eugen erhielt in Italien den Oberbefehl mit unumschränkter Vollmacht
in Kriegsangelegenheiten; allein Vendóme ließ mit seiner überlegenen Macht
ihn nicht weiter bis an die Adda Vordringen. Marlborough stand mit sei-
nem Heere am Rheine und wollte in Vereinigung mit dem Reichsheere den
Marschall von Villars zurücktreiben; aber zu dieser Vereinigung nahm sich
der alte, bedächtige Prinz von Baden so viel Zeit, daß die schönste Gele-
genheit, die Franzosen mit Erfolg anzugreifen, für den englischen Feldherr»
vorüberging. Da nun inzwischen aus den Niederlanden die Kunde einlief,
daß Villeroi mit einem Heere die Maas hinuntergerückt sei, Hup wegge-
nommen und Lüttich belagert habe, so konnte Marlborough nicht länger an
der Saar auf das Reichsheer warten und zog sich schleunig nach Mastricht
zurück. Kaum war er abgezogen, als Villars aus seinen Verschanzungen
hervorbrach, und das kleine Reichsheer so in Schranken setzte, daß der Be-
fehlshaber von Saarbrücken seine Festungswerke freiwillig in die Luft
sprengte, und der Commandant von Trier seine reichgefüllten Magazine in
Brand steckte, bevor sich noch ein Franzose sehen ließ. Beide Städte erga-
den sich bald darauf den Franzosen. V.llars nut Marsin vereinigt, trieben
nun (4. Juli 1705) auch das Reichsheer aus seinen Linien bei Kronweißen-
burg. Dagegen befreite Marlborough Lüttich von der Belagerung, entriß
den Franzosen Hup (11. Juli) wieder und erstieg am 18. Juli die Linien
von Tirlemont, wo sich Villeroi und der Churfürst von Bayern mit über-
legener Truppenzahl verschanzt hatten. Nach einem Verluste von mehr als
7000 Mann sahen sie sich genöthigt, sich unter die Canonen von Löwen zu-
rückzuziehen, wo sie sich gegen den kampfcsmuthig nacheilenven Herzog Marl-
borough noch glücklich verschanzen konnten, indem dieser sich auf einmal durch
Mißgunst des holländischen Generals Schlangenburg gehemmt sah.
4. Wahrend der Churfürst von Bayern mit dem Reste seines bei
Höchstedt geschlagenen Heeres Villeroi's Fahnen folgte, litt sein armes Land
unter dem großen Drucke der österreichischen Commissarien. Die alten Lasten
blieben, und zu denselben gesellten sich die Kosten und Beschwerden aus der
Verpflegung durchziehender Truppen. Den größten Widerwillen erregte je-
doch die Aushebu ng der jungen Mannschaft für den österreichischen Dienst,
weil zwischen Qesterreichern und Bayern, wie oft zwischen Nachbarn, Feind-
schaft bestand. Der Unmuth über die Plagen des Krieges und über die
Erpressungen der fremden Beamten fand in dem Umstande Zuwachs, daß
der größte Theil des Reichsheeres aus den Truppen der evangelischen Kreise,
aus Brandenburgern, Würtembergern und Dänen zusammengesetzt war, welche
das strenge Verbot, durch Spott und Hobn über Kirchengebräuche den Reli-
gionseifer des katholischen Volkes zu reizen, oft genug übertraten. Die