1849 -
Halberstadt
: Frantz
- Autor: Günther, Friedrich Joachim
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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den bei festlichen Gelagen getroffen, die des Collatinus inmitten
ihrer spinnenden Mägde am Webstuhle. Häuslich, eingezogen,
keusch und arbeitsam lebten stets die besseren Römerinnen, wurden
dafür auch, sogar gesetzlich, von den Männern geehrt und hochge-
halten. Die Schönheit jener häuslichen und züchtigen Lucretia
reizte die Begier des Sextus Tarquinius. Zu anderer Zeit ritt er
wieder aus dem Lager, wurde von der Dienerschaft der Lucretia
als Vetter ausgenommen, schlich sich bei nächtlicher Weile in ihre
Kammer, zwang sie durch die Drohung, sie falschem Verdachte
preis zu geben, in seinen Willen und entehrte sie. Lucretia ließ
sofort ihren Mann und ihren Vater aus dem Lager holen und ver-
traute Freunde mitbringen. Beide kamen, von Brutus und Vale-
rius begleitet, Lucretia erzählte den Verrath, ließ sich von den Män-
nern Rache schwören und stieß sich selbst den Dolch ins Herz.
Hingerissen von Mitleid und Empörung schwuren sie nochmals auf
den blutigen Dolch, den verruchten Tyrannen und seine Schand-
brut zu verfolgen auf alle Weise. Der Leichenzug kam in Rom
an, die Thore wurden geschlossen, Brutus rief das Volk zusammen,
Alles war einmüthig in seinem Hasse gegen das tyrannische Haus;
die Gemahlin des Königs entfloh aus Rom, der König eilte aus
dem Lager herbei, wurde aber nicht in die Stadt gelassen; unter-
dessen war Brutus schon ins Lager geeilt und hatte das Heer in
Aufruhr gebracht — und durch einhelligen Beschluß von Heer und
Volk wurde Tarquinius mit den Seinen aus Rom vertrieben im
I. 516 v. Ehr.
In den wesentlichen Staatseinrichtungen wurde nach der Ver-
treibung des Königs und seiner Familie Nichts geändert; nur der
Wechsel trat ein, daß die Gewalten, die sonst der König allein ge-
übt hatte, jetzt an zwei Consuln vertheilt wurden, welche man
jährlich von Neuem wählte. Diese Consuln also waren fortan die
Häupter des Gemeinwesens mit freier königlicher Gewalt, sie be-
riefen den Senat, trugen vor, worüber er berathen sollte, saßen zu
Gericht, vollzogen die Aushebungen zum Heere, führten die Heere
im Kriege und hatten allenthalben das Recht, ihren Befehlen durch
Geldbußen und Leibesstrafen Gehorsam zu erzwingen: Brutus und
Tarquinius Collatinus waren die ersten Consuln.